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Lions Frauen

Knapp zwei Drittel der Meisterschaft der PostFinance Women’s League sind gespielt. Zeit für eine Zwischenbilanz. Wer hat überzeugt, wer enttäuscht? Wer verdient das Prädikat «herausragend»?

SCB

Eigentlich war man sich bereits vor der Saison 2023/24 einig: Meister ZSC Lions und die beiden Herausforderer SC Bern und HCAP Girls machen den diesjährigen Meistertitel unter sich aus. Geschuldet war diese nicht allzu schwierige Prognose einerseits der Kontinuität in den Reihen der beiden Dominatoren der letzten Meisterschaft, den ZSC Lions und dem SC Bern, andererseits einer verblüffenden Transferoffensive der HCAP Girls. Heute, 17, 18 oder 19 Spiele später kann man feststellen, dass der Meister mit Sicherheit aus diesem Trio erkoren wird.

SC Bern (19 Spiele/46 Punkte/Punkteschnitt 2.4)

Der SC Bern, hervorgegangen aus dem Silberteam von Bomo Thun, ist seiner Rolle als erster Herausforderer des Meisters bisher durchaus gerecht geworden. Die Bernerinnen stellen statistisch gesehen das erfolgreichste Angriffstrio, die (zweit)erfolgreichste Ausländerfraktion und die (zweit)besten Torhüterinnen der Liga. Der Schwachpunkt liegt in der Kontinuität und der Reife. In zwei der drei Spiele gegen die ZSC Lions wurde das sonst so perfekt laufende System empfindlich gestört, der Notausgang via Einzelaktionen anstatt der normalen Zusammenarbeit aller Mannschaftsteile entpuppte sich als Irrweg. Diese fehlende Reife in der Anpassung des Spielsystems könnte den Bernerinnen in den Playoffs zum Verhängnis werden. Könnte, denn eigentlich besitzt das Team genügend Leader und Co-Leader, die den Weg zum Erfolg mitbestimmen können.

Bild SCB

Der SC Bern steht derzeit an der Tabellenspitze. 
SCB

ZSC Lions (18 Spiele/45 Punkte/Punkteschnitt 2.5)

Fast alles spricht eigentlich für den Titelverteidiger als Meister. Das kann – bisweilen – auch zu einem Problem führen, nämlich dann, wenn der Siegeshunger, die Einstellung und die Konzentration für einmal in der Kabine geblieben sind. Das war zweimal der Fall, einmal wahrscheinlich ungewollt und mangels Glück, das zweite Mal gegen den Aufsteiger zu hundert Prozent selbstverschuldet. Genug des Negativen, denn die ZSC Lions verdienen viel, viel mehr Positives. Sie sind nach wie vor über alles gesehen das kompakteste Team der Liga mit drei ausgeglichenen Linien und können auch schwierige Gegner wie den SC Bern oder die HCAP Girls aus dem Konzept und zuweilen zur Verzweiflung bringen. Die Bilanz der fünf Partien gegen diese beiden Teams: Fünf Spiele, vier Siege, Torverhältnis 21:11! Die Lions stellen das beste Schweizer Scoring: Angeführt von den drei Nationalspielerinnen Sinja Leemann, Alina Marti und Lisa Rüedi haben nicht weniger als elf weitere Spielerinnen Tore erzielt. Skylar Fontaine ist zwar nicht mehr so omnipräsent wie in der letzten Saison, ihre Arbeit ist defensiver ausgerichtet und das ist in einer nicht überbesetzten Verteidigung ein weiterer Pluspunkt.

HCAP Girls (17 Spiele/39 Punkte/Punkteschnitt 2.3)

Die fast rundumerneuerten Ambri-Piotta Girls sind die positive Überraschung der Liga, wobei das Wort Überraschung leicht übertrieben ist. Die Tessinerinnen haben neuen Schwung in die Liga gebracht, das Kleid des Mauerblümchens abgelegt und sind zu einem erstzunehmenden Gegner mutiert. Das liegt einerseits an den vielen Lugano-Spielerinnen, die in den Sopra Ceneri gewechselt sind, andererseits am statistisch gesehen besten Ausländer-Quartett der Liga. Die Transferoffensive hat sich für Ambri gelohnt. Rang 3 in der Tabelle unterstreicht die Ambitionen der HCAP Girls. Ob es zum Sprung nach ganz vorne reicht, wird man in den kommenden Spielen sehen. Einmal aus dem Konzept gebracht, die treffsicheren Ausländerinnen neutralisiert, ist guter Rat teuer. Ambri muss sein Spiel machen können, dann sind sie gefährlich. Das Team muss noch weiter zusammenwachsen, die Automatismen noch besser ineinandergreifen, dann ist Ambri durchaus zuzutrauen, ganz vorne mitzumischen. Bislang ist dies nur bedingt der Fall: Aus den fünf Spielen gegen die ZSC Lions und den SC Bern resultierte bisher nur ein Sieg bei einem Torverhältnis von 11:20.

Davos Ladies (19 Spiele/31 Punkte/Punkteschnitt 1.6)

Wieviel Thurgau ist noch in den Davos Ladies? Eine nicht ketzerisch gemeinte Frage, die durchaus ihre Berechtigung hat, denn ein grosser Teil des Thurgau-Teams wechselte mit der Lizenz zum HCD. Thurgau stand früher für ein stetiges Auf und Ab, Davos ist davon ein wenig abgekommen, doch die klare Erfolgslinie fehlt noch für den Sprung in die Top-Zwei. Siege gegen die ZSC Lions oder den SC Bern (je 1) sind die Ausrisse nach oben, Siege gegen die Tabellenletzten die Normalität und der Kampf gegen die Neuchâtel Hockey Academy um den letzten Playoff-Platz ist bereits ein epischer, denn nach vier Partien steht es 2:2 mit Punktevorteil für Neuenburg. Neben den Davoser Ausländerinnen sorgen die jungen Schweizerinnen für die Musik: Verteidigerin Janine Hauser zum Beispiel (Ein Punkt pro Spiel) oder U18-Nati-Stürmerin Leonie Balzer, die ihre Punktzahl aus dem Vorjahr gleich achtmal übertroffen hat. Die Davos Ladies werden sich den vierten Playoff-Platz sichern.

Neuchâtel Hockey Academy (19 Spiele/24 Punkte/Punkteschnitt 1.3)

Unter dem Strich führt die Neuchâtel Hockey Academy den «Rest der Liga» an. Die meisten Punkte haben sich die Neuenburgerinnen in den Spielen gegen die Teams auf den Plätzen 6, 7 und 8 geholt und damit ihre Position als bestes Team der unteren Tabellenhälfte zementiert. Dabei wird es auch bleiben, denn mit Ausnahme von Davos hat das Team noch keinem Spitzenclub einen Punkt abnehmen können und genau das wäre bei sieben Punkten Rückstand auf den Strich enorm wichtig. Gefragt sind Ausschläge nach oben, z.B. die Überraschungen, wie sie der NHA in der vergangenen Saison immer wieder gelungen sind.  Die Neuenburgerinnen können ein kämpferisch orientiertes Stimmungsteam sein. Für die Playoff-Teilnahme in dieser Saison müssten rasch gute Leistungen folgen. Auch in Neuenburg stehen junge Schweizer Spielerinnen für eine positive Entwicklung. Allen voran die 17-jährige Tanja Kunz, die ihr Rendement aus dem Jahr bereits achtfach übertroffen hat.

Fribourg-Gottéron (16 Spiele/15 Punkte/Punkteschnitt 0.9)

Eigentlich müsste man den Aufsteiger loben, doch die Freiburgerinnen könnten den einen oder andern Punkt mehr auf dem Konto haben. Gottéron ist bisher gelungen, was sonst nur Bern und Davos geschafft haben: Ein Sieg gegen den Meister, und das erst noch auswärts. Gottéron steht aber auch für ein Auf und Ab. Oft folgt der Absturz einem kurzen Höhenflug. Oder anders formuliert: Der Aufsteiger sucht immer noch seinen Platz in der Liga und lernt mit jedem Spiel – egal ob gewonnen oder verloren – dazu. Der Prozess dürfte weiterhin andauern und der Weg nach oben Weg zumindest in dieser Saison versperrt sein. Aber immerhin haben die Freiburgerinnen – auch dank einem guten Ausländerinnen-Quartett – bewiesen, dass man als promoviertes Team nicht unbedingt chancenlos auf dem letzten Platz landen muss. Wie Ambri ist auch Gottéron in diesem Jahr eine Bereicherung für die Liga.

Ladies Lugano (18 Spiele/10 Punkte/Punkteschnitt 0.6)

Man hatte es mit dem Exodus der Spielerinnen nach dem zwischenzeitlichen Aus kommen sehen: Lugano wird in dieser Meisterschaft keine Rolle spielen, zu dünn ist das Kader, zu wenig Talent vorhanden, um vorne mitspielen zu können. Mittlerweile haben die Verantwortlichen nachgebessert und das Team mit einer weiteren japanischen Nationalspielerin und einer erfahrenen Amerikanerin verstärkt. Vor allem Kelly Babstock könnte der entscheidende Glücksgriff gewesen sein. Die 31-Jährige hat in zwei Spielen bereits fünf Punkte gesammelt und kann mit ihrer Erfahrung aus sieben Jahren NWHL/PHF das Team zusammenhalten. Neben und mit ihr werden auch die anderen Spielerinnen an Substanz gewinnen. Allerdings: In der Defensive bleiben die Luganesi äusserst verwundbar, 101 Gegentore in 18 Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Zudem wird sich Lugano eine andere Frage stellen müssen: Was wollen wir? Ein eigenständiges Team bleiben? Mit Ambri zusammenspannen und eine Tessiner Equipe stellen? Im aktuellen Kader der Ladies stehen neun Italienerinnen (drei davon mit Schweizer Lizenz), acht Schweizerinnen, zwei Kanadierinnen und zwei Japanerinnen sowie eine Ukrainerin.

Langenthal (18 Spiele/6 Punkte/Punkteschnitt 0.3)

Vieles (wenn nicht alles) deutet darauf hin, dass Langenthal in den sauren Apfel beissen und die Playouts gegen den kommenden B-Meister bestreiten muss. Das ist nicht despektierlich gemeint. Das beweisen die Zahlen. Und dies unmissverständlich. Ein Beispiel dazu: Langenthal schlägt im Cup B-Club Bassersdorf nur mit 3:2. Das Oberaargauer Ausländerinnen-Quartett bringt es dabei auf einen äusserst mageren Punkteschnitt von 0.4 pro Spiel und liegt damit mit Abstand am Schluss der Rangliste. Bei den vier besten Schweizerinnen fällt der Schnitt gar auf 0.1 und damit dreimal tiefer als bei den Ausländerinnen. Langenthal schiesst nur 1 Tor pro Spiel, damit lassen sich keine Punkte einfahren. 67 Gegentreffer zeigen auch, dass die Defensive löchrig ist. 3.7 Gegentore pro Spiel für beide Torhüterinnen sind zwar nicht der schlechteste Wert der Liga, aber auch kein Ausbruch nach oben, den Langenthal so dringend nötig hätte.

«Gut» bis «herausragend»

Es versteht sich von selbst, dass folgende Wertungen eine ganz persönliche Einschätzung aus meinem bestmöglichen, objektiven Blickwinkel sind. Das Prädikat «herausragend» geht an Emma Ingold (SC Bern), Sinja Leemann (ZSC Lions), Elisa Dalessi (HCAP Girls), Leonie Balzer (Davos Ladies), ein «gut» geht an Tanja Kunz (NHA), Cassandra Rensch (Fribourg-Gottéron), Romy Eggimann (HCAP Girls), Janine Hauser (Davos Ladies), Alizée Aymon (SC Bern) und Vanessa Schaefer (ZSC Lions). In dieser Aufzählung fehlen bewusst die Ausländerinnen sowie eine ganze Reihe von Nationalspielerinnen, die ich global mit einem «gut bis sehr gut» beurteile. Die Aufzählung fokussiert auf jene Spielerinnen, die in den letzten Spielzeiten weniger im Mittelpunkt standen oder – wie Sinja Leemann – ganz einfach eine herausragende Saison spielen.

Bereits in der ersten Januarwoche geht es mit der Meisterschaftsrunde weiter und man darf gespannt sein, ob sich der bisherige Trend fortsetzt oder ob eine der obigen Kritiken Lügen gestraft werden wird.

 

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