Unbeschreiblich sei das Gefühl gewesen, als Marc-André Fleury bereits bei der Nationalhymne mit Ovationen gewürdigt wurde, sagte „Flower“ nach dem Spiel seiner Minnesota Wild gegen die Canadiens de Montréal. Auch während des Spiels und danach konnte er sich die verdienten, minutenlangen Ovationen von den gegnerischen Fans reinziehen. Auch wenn er, von den Emotionen sichtlich ergriffen, abzulenken versuchte.
Geliebter Feind für Fangemeinde in Québec
Was den Tag besonders machte: Fleury feierte für die Minnesota Wild auch noch einen Shutout in jenem Stadion, wo er schon bittere Niederlagen einstecken musste. Und die Montreal-Fangemeinde freute sich mit ihm, obwohl die „Habs“ dringend Punkte brauchen im Rennen um die Playoff-Plätze.
Es war zudem ein Déjà-vu: Als vor dreieinhalb Jahren Marc-André Fleury ausgerechnet in seiner Heimatprovinz Québec im Centre Bell in Montréal gegen die Canadiens als erst dritter NHL-Keeper aller Zeiten seinen 500. NHL-Sieg erspielte, passierte Ähnliches: Die Fans fieberten mit ihm und offeriertem dem damals 37-Jährigen (hinter Martin Brodeur mit den zweitmeisten Siegen aller Goalies in der NHL-Historie) eine emotionale Standing Ovation.
Der ewige Sympathieträger
So erstaunlich war die vom Publikum so zelebrierte Wertschätzung gar nicht, denn auch als Gegenspieler – vormals noch bei den Pittsburgh Penguins, Chicago Blackhawks und den Vegas Golden Knights - blieb „Flower“ immerzu der „Hexer mit dem Smiley“. Ein überaus sympathischer Québecois, der – egal in welcher Situation auch immer – die Sympathien auf seiner Seite zu haben scheint. „Natürlich sah man mich hier nur als der Goalie des Gegnerteams... aber diese Wertschätzung und Zuneigung des Publikums in Montreal haben mich immer wieder überwältigt“, sagte Fleury. „Ich kenne keinen, der immer und überall so zuvorkommend, eloquent, witzig und unvoreingenommen ist, wie Marc-André. Egal, wen er vor sich hat, er zeigt seine Wertschätzung. Und er strahlt immer Witz und Optimismus aus, selbst in schwierigen Momenten seiner grossartigen Karriere“, sagten viele, die ihn kennen wie beispielsweise Guy Carbonneau und Vincent Damphousse in der populären RDS-Talksendung „L'Antichambre“. Und ja... das ist es wohl, was für immer hängen bleibt, wen sein Name fällt. Was gibt es Schöneres?
Ein „Iconic Save“ im Stanley-Cup-Finalspiel 7
„Flower“ ist – wie bereits erwähnt - die Nummer 2 in der ewigen Bestenliste der Playoff-Goalies bezüglich Siegen hinter Martin Brodeur und vor Patrick Roy und Grant Fuhr. Mit 40 ist er nach wie vor athletisch auf Top-Niveau und seit eh und je mental stark. Als sein ihm sehr nahestehender Vater vor vier Jahren starb, verewigte er einen seiner Leitsprüche auf seiner Goaliemaske und schöpfte so noch mehr Kraft.
Grossartige und schmerzhafte Erinnerungen im sportlichen Bereich hat der Witzbold (wird seit seiner Rookie-Saison von den Teamkameraden regelmässig zum witzigsten Spieler im Kader erkoren) reichlich. Besonders in den Playoffs. Sein Big Save in Spiel 7 des Stanley-Cupfinals 2009 bleibt unvergessen: Beim Stand von 2:1 für Pittsburgh versuchten die Red Wings kurz vor Ende des Spiels mit sechs Spielern und ohne Keeper die drohende Niederlage zu verhindern. Fleury konnte spektakulär gegen zwei Schüsse von Henrik Zetterberg und Nicklas Lidström den Sieg und somit den Stanley-Cup-Erfolg retten. Für „Flower“ war es der erste Gewinn der Trophäe. Danach folgten weitere – als Backup. Das war ein schmerzhafter Prozess, aber Resilienz ist eine Tugend beim Stehaufmännchen.
Die Resilienz von Mister Playoffs
Gemessen an folgende Fakten muss man Marc-André Fleury ohne Zweifel ohnehin als Mister Playoffs bezeichnen: Sportartenübergreifend wurde er einer der Rekordträger bezüglich aufeinanderfolgenden Playoff-Teilnahmen (15). Dabei gewann er drei Mal den Stanley Cup (Pittsburgh) und war nur einmal in der Finalserie (2018, Las Vegas) auf der Verliererseite. Seine Leistungen in den Playoffs sind in der Regel überragend, wenn auch er manchmal im einen oder anderen Spiel gewisse Leistungsschwankungen offenlegt. Aber: „Flower“ ist, wie bereits erwähnt, ein Beispiel an Resilienz! Kaum einmal beeinflusste ihn ein schlechtes Spiel oder eine unglückliche Aktion negativ. Auch nicht, als er – mal wieder in Montreal – ein schmerzhaftes und spielentscheidendes Gegentor in einem wegweisenden Match der Semifinal-Playoffserie 2021 kassierte. Und so hat er ein kleines, mentales Johari-Fenster: Gegen die Canadiens de Montréal – dem Herzensclub aus seiner Jugend – hatte der Québecois seit jeher immer wieder auf eine unerklärliche Art Probleme. Dies ist nicht nur statistisch dokumentiert, sondern auch die einhellige Meinung bei allen Expertinnen und Experten nach jahrelanger Beobachtung und Analyse seiner Partien gegen die „Habs“. Viele erinnern sich an die Zweitrunden-Niederlage in den Playoffs 2010, als „Flower“ mit den hoch favorisierten „Pens“ gegen die völlig entfesselnd aufspielenden „Habs“ nach sieben Partien ausschieden und mithören musste, wie die Fans ihm „You've been Halak-ed“ zuriefen. Seit einigen Jahren hat er diese Nemesis in Montreal jedoch abgelegt.