Carl Lavigne ist ein wandelndes Canadiens-Lexikon. Es gibt nichts, was er nicht weiss aus der Geschichte der „Bleu Blanc Rouge“, oder zumindest sofort eine Quelle hat, worauf er zugreifen kann, um es zu erfahren. Täglich gehen bei ihm Anfragen ein zu den verschiedensten Themen und Anekdoten. Einst bei den Canadiens de Montréal lange in der PR- und Kommunikationsabteilung angestellt, ist Lavigne mittlerweile selbständig und dennoch fest mit den „Habs“ auf Auftrags- und Mandatsbasis verbunden. Als Übersetzer und Auskunftsgeber zu allem, was die Geschichte der „Habs“ umfasst. Aber auch Anfragen aus der NHL, von anderen Clubs, von den Medien und der Hall of Fame sind regelmässig zu bearbeiten. Carl Lavigne: „Wenn ich nicht aus der Hüfte heraus die unterschiedlichsten Anfragen beantworten kann, so weiss ich aber, wo ich diese finden kann. Dabei hilft mir mein grosses Netzwerk und meine jahrzehntelange Erfahrung als Archivist der Canadiens. Ausserdem habe ich alle Matchblättern der Canadiens seit deren erster Partie für den Club gesammelt und aufbereitet. Das sind weit über 6’500.“
Ein wandelndes Canadiens-Lexikon
Seine Hingabe für die Geschichte und das Archivieren der Clubgeschichte begann einige Jahre vor der Durchführung des 100-jährigen Jubiläums der Montréal Canadiens, das 2009 mit vielen begleitenden Events, dem All-Star Weekend, dem NHL-Draft, Sonderausstellungen, der Einweihung der Place du Centenaire beim Centre Bell und Ehrungen über die Bühne ging. Lavigne ging auf den Präsidenten Pierre Boivin zu und konfrontierte ihn mit der Tatsache, dass die Clubgeschichte für das grosse Jubiläum besser strukturiert, digitalisiert und neu auf die modernen Anforderungen aufbereitet werden müsste. Und so wurde der ehemalige Chefredakteur und Verlagsleiter des clubinternen Magazins und der diversen Club-Publikationen zum Archivisten und Clubhistoriker. „Ich habe schon früher mit Begeisterung besondere Geschichten, Anekdoten und auch Zusammenhänge recherchiert und in der Clubgeschichte gestöbert. Ich war immer ein Sammler und Rechercheur und so hat sich die Situation ergeben“, sagt er.
Die Anfragen kommen fast täglich
Carl Lavigne, der übrigens nach seinem Übersetzerstudium an der Université de Montréal auch eines an der Universität des Saarlandes (1984 bis 1986) absolvierte, spricht deshalb noch immer sehr passabel deutsch - nebst seiner eigentlichen Muttersprachen französisch und englisch. Er startete seine PR-Karriere in der NHL bei den Ottawa Senators, als diese soeben die Bühne in der NHL betraten. Zunächst im Kommunikationsteam, wo er sich um die Spieler zu kümmern hatte und dort von einigen – speziell aber von Alexandre Daigle - aufgrund seines exzellenten Kleidungsstils „der schöne Carl“ gerufen wurde. Danach war er verantwortlich für die clubinternen Publikationen der „Sens“. Diese Aufgabe übernahm er dann einige Jahre später auch bei den „Habs“. Anschliessend kamen die besagten Aufgaben als Übersetzer, Archivist und Historiker des noch immer erfolgreichsten und ältesten Clubs der NHL.
„Die Herausforderungen heute sind andere als in den 80er- und 90er-Jahren. Die NHL ist komplett digitalisiert und macht eine herausragende Arbeit im Bereich der Analytik und Interpretation und natürlich bei der Führung der Statistiken. Vor der Jahrhundertwende musste ich noch viel in Archiven und Bibliotheken recherchieren. Es machte grossen Spass, besondere Dokumente zu finden und zu entschlüsseln oder auch in die Clubgeschichte einzufügen. Aber jetzt findet man mit den neuen digitalen Möglichkeiten und der KI andere, noch mehr Zusammenhänge und Geschichten.“ Die Arbeit gehe einem nie aus, sagt er. Vor allem nicht an einem Standort wie Montréal mit dieser enormen Eishockeyaffinität und bei diesem Club mit solch einer Historie und grossen Tradition – auch bezüglich der Hochachtung gegenüber denjenigen, die den Club geprägt haben. Und ... es gab ja die „Habs“ schon vor der Etablierung der NHL. Da hat Lavigne ebenfalls recherchiert und alles in den Kontext eingefügt.
Sein historisches Archiv nutzt er auch für seine Buchprojekte
Carl Lavigne, der unter anderem auch sehr erfolgreich Eishockey-Erlebnisreisen nach Europa für Kanadier (inklusive Matchbesuche und Amateurhockey-Partien gegen andere Amateurteams) organisiert, hat seine Passion auch mit drei Büchern veredelt. Soeben ist sein drittes Werk erschienen: „Drôles de Numéros“ heisst es und erzählt besondere Geschichten über die Rückennummern der Spieler seit Gründung der NHL. Zuvor publizierte er „Chronique d'une année complètement folle“, wo er das völlig verrückte Jahr 2021 aufarbeitet. Die „Habs“ standen im Stanley-Cup-Finale und innerhalb eines Jahres ging danach so ziemlich alles schief was schief gehen konnte. Sein erstes Buch heisst „Glorieux d'un soir“ und portraitiert alle Spieler, die nur eine einzige NHL-Partie für die „Glorieux“ bestritten hatten.