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NHL Observer

Achtung – dieser Beitrag grenzt an Majestätsbeleidigung, sollte aber nicht so verstanden werden: In den letzten Wochen haben sich die NHL-Medien geradezu überworfen mit dem fast täglichen Ovechkin-Goal-Tracker. Ein regelrechter Personenkult. Kein Zweifel, Alexander Ovechkin hat alle Lobeshymnen aufgrund seiner Leistung als Sportler, Team-Captain und Vorbild verdient. Was der Russe erreicht hat ist grossartig und verdient Respekt. Er hat den Tor-Rekord von Wayne Gretzky geknackt, den man bis vor zwei Jahren noch für unerreichbar hielt. Und dennoch bleibt für einige bei der ganzen Ovi-Show ein schaler Beigeschmack. 

Im allgemeinen Personenkult um den Ausnahme-Eishockeyspieler Alexander Ovechkin geht ein kleines Imageproblem unter: Als Profilbild auf dem Instagram-Account von „The Great 8“ ist noch immer das Bild des Superstars mit Vladimir Putin zu sehen. Und dies schon seit mehreren Jahren. Schon vor drei Jahren gab es nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges diesbezüglich schon einige Kritik, Unruhe und ein kleiner Shitstorm brach ein über Alexander Ovechkin: Denn dieser hatte zwischenzeitlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Er sprach und spricht sich nach wie vor klar gegen kriegerische Auseinandersetzungen aus. Aber sein in den letzten Jahren zelebriertes freundschaftliches Verhältnis zu Vladimir Putin sorgt dennoch für Dissonanzen. “Ovi“ generiert 1,6 Millionen Follower auf Instagram und 2,5 Millionen auf Twitter. Nachvollziehbar, dass sich der in Russland wie ein Popstar Gefeierte nicht mit Äusserungen und gezielter Kritik gegen sein Land ins Abseits manövrieren möchte. Aber: „Ovi 8“ hat das Profilbild auf Insta, das ihn stolz an der Seite von Freund Putin zeigt, nicht ausgewechselt. Dieses Bild wurde als Ausdruck seiner politischen Haltung interpretiert. Berichte deuten darauf hin, dass Ovechkin geraten wurde, das Foto nicht zu ändern, möglicherweise aus Sorge um die Sicherheit seiner Familie in Russland. 

Der NHL-Profi als unmündiger Kommunikator?

Nun hat er den Rekord des „Great One“ geknackt, der seinerseits ebenfalls ein Imageproblem zu verarbeiten hat. Während Ovechkin als Putin-Freund gilt, ist Wayne Gretzky einer, dem man eine gewisse Nähe zu Donald Trump vorwirft. Im aktuellen Kanada-USA-Zollkonflikt und bei den Aussagen Trumps bezüglich der Einverleibung Kanadas in die USA ist dies heikel. Auch, weil „The Great One“ als Kanadier sich aus Sicht der meisten Kanadier:Innen nicht patriotisch verhält. Die Überforderung mit solchen Situationen ist offensichtlich. Selbst bei Weltstars, die sich den Umgang mit den Medien gewohnt sind und von teuren Beraterinnen oder Beratern betreut werden. Tatsache ist aber auch: Viele Sportler:Innen haben besonders dann Probleme, wenn sie ihre  Komfortzone – also das Auskunft geben über sportlich relevante Inhalte – verlassen müssen. 

In der NHL hat sich seit der Jahrhundertwende viel Positives getan. Auch im Bereich der Kommunikation und der Publikationsmöglichkeiten. Die Anfragen und die Anzahl der Interview-Wünsche stiegen exponentiell. Auch aufgrund des Aufkommens neuer Medien- und Publikationsplattformen. Aber eine Entwicklung wurde gewissermassen zu einem Boomerang: Im Zuge der Professionalisierung der Kommunikationsabteilungen wurden die NHL-Profis in aller Regel durch das Kommunikationsteam beziehungsweise durch die Kommunikationsstrategen der Clubs mit passgenauen Äusserungen zu jeder (sportlichen) Frage gefüttert. Die Gründe sind vielseitig. Einer davon lässt sich mit dem Konzept der integrierten Kommunikation erklären (siehe hier). Die Folge: Viele Antworten klingen wie vorgefertigt oder wie wenig aussagekräftige Plattitüden. Nur noch wenige zeigen Kante und begeben sich aus der Komfortzone. In manchen Fällen folgt danach eine Abmahnung durch den Club. Darauf haben die wenigsten Lust. 

Glaubwürdigkeit und Image nur zeitweise beschädigt

Anschauungsunterricht zu diesem Thema gab es, wie bereits erwähnt, im Zuge des Ukraine-Kriegs bei Alexander Ovechkin. «Bitte keinen Krieg mehr, wir müssen in Frieden leben», sagte Alexander Ovechkin nach einem Training der Washington Capitals, als der Krieg in der Ukraine ausbrach. Die Lage sei beängstigend schob er nach. Und: «Wir können nichts tun.» Mit der ersten Aussage kann man ja noch leben, zumal man den schwierigen kommunikativen Spagat nachvollziehen kann, den nunmehr seit Jahren viele russische Sportlerinnen und Sportler zu vollziehen haben. Aber die zweite Wortmeldung sorgte für Unmut, angesichts der Möglichkeiten und Reichweite, die Alex Ovechkin als Influencer auf Instagram (1,6 Millionen) oder Twitter (2,5 Millionen) hat. Nachvollziehbar, dass sich der in Russland wie ein Popstar gefeierte „Ovi“ nicht mit Äusserungen und gezielter Kritik gegen sein Land ins Abseits manövrieren möchte. Er entschied sich wie viele andere dafür, das Thema zu umschiffen und die Situation auszusitzen - mit Erfolg. Der Shitstorm nahm merklich ab und geriet in der schnelllebigen Welt sogar fast in Vergessenheit. 

Shitstorm aussitzen oder doch noch proaktiv werden? 

Alexander Ovechkin rief 2017 das «PutinTeam» ins Leben. Seine Erklärung: «Er ist mein Präsident und ich bin kein Politiker, ich bin Sportler.» Viele sind verärgert über diese Aussage. Einer der ehemaligen Superstars der „Caps“, der Ukrainer Dmitri Khristich (auch er trug damals in den 90ern die Nummer 8), lancierte vor drei Jahren einen emotionalen Appell. Am deutlichsten äusserte sich NHL-Legende Dominik Hasek, der den „Caps“-Captain als Lügner bezeichnet. «Jeder Erwachsene in Europa weiss genau, dass Putin ein wahnsinniger Killer ist», so der Tscheche. In verschiedensten Medien wie beispielsweise «SB Nation» war zu lesen: «Zu sagen, dass er sich hilflos fühlt, ist ein unaufrichtiger Versuch, seine Bedeutung herunterzuspielen». Auch die «Montreal Gazette» wurde deutlich und meint, dass Ovechkin sehr wohl Einfluss hätte und diesen einsetzen könne, um den Tyrannen zu beeinflussen. 

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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