Als 2016 die Canadiens de Montréal verkündeten, dass sie 2017 ihr AHL Farmteam von St.John's aus dem weit entfernten Neufundland nach Laval umziehen werden, wurde sofort klar: das wird eine Erfolgsgeschichte. Laval liegt nur rund 45 Minuten per Auto oder Métro von Montréal entfernt und ist die drittgrösste Stadt der Provinz Québec. Mit einer modernen Arena und vielen Vorzügen aufgrund der geografischen und kulturellen Nähe war abzusehen, dass dieser Entscheid nur Positives bewirken könne. Schade war dies natürlich für die Eishockeyfans in Neufundland und Labrador. Aber was in Laval, wo man bisher Juniorenhockey auf höchstem Niveau geniessen konnte (jetzt ist Trois-Rivière das angeschlossene Juniorenteam), seitdem entstanden ist, kann man getrost als Best Case mit Zauberformel für den Aufbau eines AHL-Standortes bezeichnen.
Absolute Identifikation und eine Zauberformel
Die Identifikation der Lavalois mit den „Rockets“ (in Anlehnung an den legendären Maurice „The Rocket“ Richard) ist gelungen. Viel Sympathie erhalten sie auch von der Community der Montréal Canadiens. Fast die Hälfte der Jerseys und Fanartikel im meist mit bis 10'000 Zuschauenden vollbesetzten Stadion zieren das „Habs“-Logo, aber es dominiert das „Bleu-Blanc-Rouge“ beider Clubs. Auch haben die Rockets de Laval ein ähnliches Design wie jenes der Canadiens übernommen, aber dennoch ein eigenes Corporate Design und eine eigene Corporate Identity etabliert. Das bedeutet: Alles wurde dafür getan, dass man die Montréal-Community miteinbindet, aber gleichzeitig vor allem in Laval eine starke Identität aufbaut.
„Es gibt wenige Standorte, die eine so starke Identität mit ihrem AHL-Team aufgebaut haben wie das bei uns ist. In Hershey zum Beispiel, oder einigen wenigen anderen Orten, ist das auch so. Aber man muss schon sagen, dass wir die Leute hier mit dem Gesamtprodukt absolut abholen und zufrieden stellen. Wir haben zudem auch ein eigenes modernes Stadion, welches wir nicht mit einem NHL-Team teilen müssen, was ebenso identitätsbildend ist. Es passt wirklich alles und die Mannschaft spielt attraktives Hockey. Die vielen Québecois im Team helfen da natürlich bei diesem Aspekt mit“, bestätigt Frédérique Collerette, zuständig für das Kommunikationsteam der Rocket de Laval. Auch noch ein wichtiger Aspekt: Für die sogenannten „rappels“ oder „recalls“ - also wenn die NHL-Mannschaft Spieler vom Farmteam abzieht – ist nunmehr alles viel effizienter und einfacher umsetzbar aufgrund der geografischen Nähe.
Attraktive Spielweise und eine gute Show
Der sportliche Aspekt spielt auch eine grosse Rolle. Nicht in jeder Saison gehört man zu den Spitzenclubs, hat sich aber zuletzt als Playoff-Team etabliert und vor zwei Jahren sogar eine ausserordentlich starke Post Season gezeigt, wo die Fans abgingen wie kaum woanders in der AHL. Letzte Woche holte man sogar gegen die Belleville Senators einen 0:4-Rückstand auf und gewann mit 6:4. Der Saisonstart 2023 verlief zwar resultattechnisch etwas harzig, aber die Spielweise gefällt und zuletzt war man in einer positiveren Sequenz. Wichtig ist den Fans in Laval aber, dass man ein AHL-Team beheimatet und dass das Produkt Eishockey und die Show dazu stimmt. Und das kann man absolut bejahen: Nicht nur die Fans sorgen für Stimmung, sondern auch die professionell orchestrierte Costumer Journey – sprich das Kundenerlebnis mit allem, was dazu gehört: Verkehrsanbindung, Show- und Call-To-Action-Elemente, die Unterhaltungssegmente im Stadion und alles, was zur Verpflegung und Restauration in und um die Place Bell betrifft.
Auch sind viele Spieler zu absoluten Publikumslieblingen avanciert: Joshua Roy beispielsweise, der wohl bald den gleichen Weg machen wird wie Raphaël Harvey-Pinard, Jesse Ylönen, Michael Pezzetta und andere, die sich bei den „Habs“ in Montréal etablierten. Aber auch Spieler der Canadiens sind derzeit in Laval aktiv wie Joel Armia, Mattias Norlinder oder Gustav Lindström. In der Beliebtheitsskala hinter Joshua Roy rangieren derzeit Xavier Simoneau, Brandon Gignac und Sean Farrell ganz oben – wobei auch andere sehr populär sind wie beispielsweise Logan Mailloux: Er sorgte vor zwei Jahren für einen handfesten Skandal und ist seitdem konstant im Einsatz für Aufklärung im Umgang mit den sozialen Medien und speziell für das Thema „Sexting“. Logan Mailloux, einer der talentiertesten Verteidiger seiner Generation, wurde 2021 in der ersten Runde von den Canadiens de Montréal gedraftet. Die Wahl des damaligen GM Marc Bergevin polarisierte. Denn der damals 19-Jährige hatte vor nunmehr drei Jahren in Schweden gespielt und dort damals eine Frau gegen ihren Willen beim einvernehmlichen Sex fotografiert und das Bild an seine Teamkollegen geschickt. Eine blöde Prahlhans-Aktion, die besonders für die junge Frau psychisch extrem belastend war. Sie ging zur Polizei und Mailloux bekam eine Geldstrafe. Mailloux merkte schnell, welche Folgen dies haben würde. Und so hatte er vor dem Draft 2021 öffentlich darum gebeten, die NHL-Teams sollten ihn bitte nicht auswählen, da er das nicht verdient hätte und Zeit brauche, sich als Mensch weiterzuentwickeln. Dennoch wurde er von den „Habs“ gedraftet, was Marc Bergevin mit den sportlichen Qualitäten des Verteidigers begründete. Mailloux hat inzwischen bei vielen Sensibilisierungskampagnen für den Respekt für die menschliche Integrität mitgewirkt und setzt sich für die Aufklärung zum Thema Sexting ein. Bei ihm merkte man, dass es sich lohnt, eine zweite Chance zu gewähren. Mailloux gilt jetzt als einer der hoffnungsvollsten Verteidiger im Canadiens-System, auch wenn man mit solchen in Montréal seit zwei Jahren bereits reich gesegnet ist.