Sprache auswählen

NHL Observer

Die Zeiten, als ein Patrick Roy oder Martin Brodeur Saison um Saison rund 60 oder mehr Partien in der Regular Season durchstanden und in den Playoffs auch gleich alle Spiele absolvierten, gehören der Vergangenheit an. Das wäre im modernen Eishockey nur schon wegen der physischen und mentalen Belastungssteuerung nicht mehr tragbar. 

Backup-Keeper, die nur zirka 20 (meist als unbedeutend geltende) Spiele pro Saison gegen Gegner, die sich vermeintlich in einer Formschwäche befinden, absolvierten und etwas abschätzig als Türsteher oder Komparsen bezeichnet wurden, gibt es so nicht mehr. Auffallend viele NHL-Backup-Goalies etablieren sich seit Jahren, besonders aktuell in der NHL und bringen auch wichtige Siege ins Trockene – und das ist wichtiger denn je. 

Physische wie auch psychische Entlastung für den Stammkeeper 

Goalies wie Montreals Samuel Montembeault-Sekundant Jakub Dobes dominieren sogar die wichtigsten Statistiken und beeindruckten in ihren ersten NHL-Partien alle Fachleute. Einmal mehr zeigt sich, warum die Backup-Keeper nicht einfach nur eine Nebenrolle spielen im Teamgefüge. 

Bei einigen Clubs in der NHL macht sich stark bemerkbar, wie wichtig ein guter Backup-Goalie ist. Bevor Jakub Dobes aus Laval nach Montreal in die NHL befördert wurde, versprühte Ex-Backup  Cayden Primeau in fast jeder Partie kein Selbstvertrauen und konnte kaum ein Spiel gewinnen. Aktuell holt er sich in der AHL in Laval mit einer Siegesserie wieder diese Selbstsicherheit zurück.  Dobes indessen gewann unter anderem auch gegen Topteams seine ersten fünf NHL-Partien und musste erst in seinem sechsten NHL-Einsatz eine Niederlage nach Overtime einstecken. Für Stammgoalie Samuel Montembeault ist diese aktuelle Situation eine Entlastung – sowohl auf mentaler wie auch physischer Ebene. Und er wirkt seitdem auch wieder so spritzig wie zu Saisonbeginn. 

Erfolgreiche Goalie-Tandems

In einigen Fällen schaffen es junge Backups sogar, den Stammkeeper zu verdrängen. Manche bereits seit Saisonstart wie Dustin Wolf (Calgary) und Joseph Woll (Toronto). Auch auffällig in dieser Saison: Es gibt sehr viele starke Goalie-Tandems. Igor Shesterkin und Jonathan Quick (NY Rangers), Filip Gustavson und Marc-André Fleury (Minnesota), Sergei Bobrovsky und Spencer Knight (Florida), Adin Hill und Ilya Samsonov (Vegas), Connor Hellebuyck und Eric Comrie (Winnipeg) sowie Logan Thompson und Charlie Lindgren (Washington) sind nur eine kleine Auswahl. Eher weniger oft gibt es die Situation der Goalie-Rochaden mit einer 50/50 Rotation bei der Spielaufteilung. Noch in guter Erinnerung ist das Goalie-Tandem Jeremy Swayman und Linus Ullmark in der letzten Saison bei den Boston Bruins. Das war gewissermassen ein Idealfall für die Bruins in der Regular Season. Schwierig wurde es dann bei der Wahl des „Go-to-Guy“ für die Playoffs. In der jüngeren Vergangenheit erinnert man sich diesbezüglich auch noch an das „Habs“-Tandem Carey Price und Jaroslav Halak. 

Bedeutung im modernen Eishockey

Die Rolle der Ersatzgoalies hat im modernen Eishockey also erheblich an Bedeutung gewonnen. Die wichtigsten Aspekte bei den Mehrwerten eines guten Ersatzkeepers hierbei sind: Der Stammgoalie hat eine bessere Belastungssteuerung wie beispielsweise bei der Lenkung des Leistungs- und Energiehaushaltes, bessere Regenerationsphasen und geringere Verletzungsanfälligkeit. Das Thema wird ohnehin immer virulenter: Goalies, die zu viele Spiele in Folge absolvieren, riskieren Leistungsverlust und sind anfälliger für Fehler oder Verletzungen. Das hat auch mental einen Impact. Der Ersatzgoalie ermöglicht es dem Stammgoalie, Pausen einzulegen, um optimal zu regenerieren. Auch bei den mentalen Aspekten wie Stressmanagement, Verantwortungsaufteilung, mentale Frische, Wettbewerb und Motivationsschub gibt es starke positive Nebenwirkungen. Alle diese Aspekte stehen nicht für sich alleine da, sondern beeinflussen sich gegenseitig – im besten Falle – positiv.

Und natürlich ist die Entwicklung der besten Nachwuchskeeper mit einem guten Mentor von Bedeutung. Regelmässige Einsätze helfen den meist auch jungen Backups, auf höchstem Niveau Erfahrungen zu sammeln. Aber auch erfahrene Goalies sind ideale Backups, weil sie sich auch als Mentor einbringen und jederzeit den Stammkeeper im Verletzungsfalle oder bei Formschwäche ersetzen und entlasten können (aktuelles Beispiel: Jake Allen in New Jersey, zuvor in Montreal). Auch systemische Entwicklungen im modernen Eishockey spielen eine Rolle. So in der Vorbereitung und Analyse: Alle Goalies analysieren Spielmuster der Gegner und sind auf ihre Einsätze optimal vorbereitet. Sie tragen nicht nur durch ihre Leistung, sondern auch durch taktisches Wissen zur Teamstärke bei.

Fazit: Die Wichtigkeit von Backup-Goalies im modernen Eishockey spiegelt die steigenden Anforderungen an die Position des Torwarts wider. Neben der physischen Belastung spielen auch mentale Aspekte und die strategische Lenkung von Energie und Leistung eine zentrale Rolle. Ersatzgoalies sind heute nicht nur Backups, sondern integraler Bestandteil eines Teams, das erfolgreich durch eine lange und intensive Saison navigieren möchte. Sie tragen zur Belastungssteuerung, Verletzungsprävention und taktischen Flexibilität bei, während sie selbst wertvolle Erfahrungen sammeln und das Team stabilisieren.

Top-Backups 2024/25

In der NHL-Saison 2024/2025 haben mehrere Ersatzgoalies durch herausragende Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Hier sind einige der bemerkenswertesten:

1. Jakub Dobeš – Montréal Canadiens: Der Rookie-Goalie Jakub Dobeš hat einen beeindruckenden Start in seine NHL-Karriere hingelegt. In seinen ersten sechs Einsätzen verzeichnete er fünf Siege – jeweils gegen Topteams - und eine Overtime Niederlage in Spiel 6. 

2. Jonathan Quick – New York Rangers: Der 38-jährige Quick ist nicht nur als Stammkeeper eine Bank (dreifacher Stanley-Cup-Sieger), sondern auch ein idealer sowie erfahrener Backup und Mentor. Er zeigte beeindruckende Leistungen mit einer Fangquote von 96.4% und einem Gegentorschnitt von 1.17, darunter sein 61. Karriere-Shutout gegen die Detroit Red Wings.

3. Marcus Högberg – New York Islanders: Högberg vertrat den erkrankten Stammtorhüter Ilya Sorokin in vier Spielen und liess lediglich drei Gegentore zu. 

4. Anthony Stolarz – Toronto Maple Leafs: Stolarz, zuvor schon als einer der besten Backup-Goalies der Liga etabliert, ist seit Mitte Dezember 2024 auf der Verletztenliste. Zuvor erzielte er in 17 Einsätzen eine Bilanz von 9 Siegen, 5 Niederlagen und 2 Overtime-Niederlagen. Dabei verzeichnete er einen Gegentorschnitt von 2,15 und eine Fangquote von 92,7 %. Zudem gelang ihm ein Shutout.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

Mehr Infos

Kennst du schon...?