Über die Vergleiche im sportlichen Bereich ist vieles schon erzählt und analysiert worden. Da gibt es auch einige Anekdoten, wie beispielsweise das Coachingduell zwischen dem Stanley-Cup-unerfahrenen und „Branchen-Aufsteiger“ Kris Knoblauch und Paul Maurice. Letzterer möchte nach drei Finalniederlagen nun endlich auch seine illustre Trainerkarriere krönen. Da ist auch die Geschichte von Corey Perry, der seit dem Stanley-Cup-Erfolg 2007 mit den Anaheim Ducks einem weiteren Titel auf Clubebene hinterherjagt und seit 2020 vier Mal in Folge mit unterschiedlichen Clubs im Stanley-Cup-Final stand und jeweils verlor (jeweils mit Dallas, Montréal sowie Tampa) und jetzt mit Edmonton diesen Trend durchbrechen möchte. Speziell ist auch jene Anekdote, dass sich bei der Rekrutierung des neuen General Managers der Oilers 2019 der erfahrene Ken Holland ausgerechnet gegen einen jungen aufstrebenden GM, dem aktuellen Panthers GM Bill Zito, durchsetzte.
Was aber besonders auffällt, sind die starken Gegensätze zwischen den Finalteilnehmern 2024 in anderen Bereichen als auf dem technisch-sportlichen Parkett.
Identifikation, Kernzielgruppen und Affinität zum Eishockeysport
Einige Expansionsteams – speziell jene aus den Südstaaten - können aufgrund einer sportlichen Erfolgswelle situativ eine gewisse Euphorie auslösen. Dies jedoch nur bei ihrer Kernzielgruppe und allenfalls bei einem erweiterten Zielpublikum, welches nicht konstant dem Eishockeysport zugewandt ist und sich selten zu einer neuen dauerhaften Zielgruppe entwickelt. Natürlich gibt es da auch Ausnahmen wie zum Beispiel Tampa Bay oder Dallas und noch etwas früher die L.A. Kings. Und seit einigen Jahren neuerdings auch Carolina, die mit einer geschickten Zielgruppensegmentierungs-Marketingstrategie neues Publikum dauerhaft ans Produkt NHL-Eishockey binden konnte. Davon sind die Florida Panthers noch weit entfernt. Aber immerhin sind die unsäglichen Zeiten passé, als man die Zuschauer mittels Anreizsystemen wie Essensbons und Gratis-Parking ins Stadion nach Sunrise/FLA locken musste. Komplett diametral sieht die Kernzielgruppe der Oilers aus: Egal wie es sportlich läuft, das Publikumsinteresse ist das gesamte Jahr tagtäglich präsent und auch in der nicht unmittelbar eishockeyaffinen Bevölkerung spielen die Edmonton Oilers eine wichtige Rolle, gewissermassen als Teil des Kulturgutes. Die meisten, die auch jetzt den Oilers zujubeln, sind keine Modefans oder solche, die Eishockey als Teil einer Unterhaltungsindustrie verstehen. Natürlich sind diese heuer eher mehr am Start als sonst, aber auch diese sind in einem Umfeld aufgewachsen, in welchem der Eishockeyport und die NHL täglich präsent war und dem eine kulturelle Bedeutung zukam. Der "Blick" auf das Spiel ist zudem auch ein anderer, da das Eishockeyverständnis und die Hintergrundkenntnisse beim erweiterten Zielpublikum in der Regel besser verankert sind als bei den Modefans in Florida.
Makro- und Mikrokosmos bei den Wertschöpfungsketten
Die Wirkung der Playoffs – speziell wenn diese auch noch sportlich sehr erfolgreich verlaufen – ist in Edmonton nachhaltiger als in Florida. Auch wenn die Hoffnung der NHL berechtigt ist, dass man in Südflorida die Kernzielgruppe mit einer gewissen Euphorie erweitern wird. Das ist vor allem wichtig für die Kundenbindung und im Cross-Selling-Bereich und beim so genannten „crossmarket premium seating“. Bei der Analyse der Wertschöpfungsketten, begleitend zum eigentlichen Spielbetrieb, zeigen sich aber die grossen Unterschiede. Das gilt nicht nur für das Merchandising im und ausserhalb des Stadions, sondern auch für die bedeutend höheren Umsatzmöglichkeiten bei den flankierenden Wertschöpfungsketten. Dazu gehören die lokalen Vermarktungsrechte und die Wirtschaftsbetriebe, welche direkt oder auch indirekt von einer Eishockeybegeisterung profitieren wie beispielsweise die Restaurationsbetriebe, der Tourismus und die Hotellerie, die Detailhandelsbranche, die Werbewirtschaft, die Unterhaltungsbranche und einige weitere mehr. Während in der gesamten Region Edmonton, in der Provinz Alberta und sogar in ganz Kanada diese Wertschöpfungskette funktioniert, so ist in Südflorida nur der Mikrokosmos rund um Miami/Sunrise wirklich nachhaltig davon betroffen.
Geografische Entfernung
Ein besonders spannender Gegensatz: Noch nie waren zwei Finalteilnehmer geografisch so weit voneinander entfernt (über 4800 Kilometer) wie 2024. Der Rekord lag bisher beim Stanley-Cup-Final 2004 zwischen Calgary und Tampa Bay. Ein Flug dauert fast acht Stunden und man überquert drei Zeitzonen. Dies bedingt auch eine Anpassung bezüglich der Logistik. Aber es hat auch einen gewissen Reiz, zumal das Narrativ des „True North“ gegen die Südstaaten im Besondern in Kanada gut greift. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die gesamte NHL-Fangemeinschaft in Kanada hinter den Oilers steht, obwohl beispielsweise die Fans der Calgary Flames erbitterte Rivalen sind. Und auch, dass das Interessenpotenzial ungleich in Kanada weitaus höher ist als in Florida bei den Zuschauern ausserhalb der Oilers- und Panthers-Community.