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NHL Observer

Vor genau 30 Jahren gewannen die Canadiens de Montréal den Stanley Cup. Wer konnte damals ahnen, dass dies für drei Jahrzehnte der letzte Triumph einer in Kanada stationierten NHL-Franchise sein würde? Genug Anlass, sich daran zu erinnern und für einige interessante Anekdoten und Parallelen zu den Finalgegnern 2023.

Am 9. Juni jährte sich auf den Tag genau während der Finalserie 2023 zum 30. Mal. Ein Fun Fact, welcher regelmässig zu reden gibt: Schon seit 30 Jahren wartet eine kanadische Stadt auf die nächste Stanley-Cup-Parade.

Auch wenn man bei den Vegas Golden Knights nicht von einer reichen NHL-Historie sprechen kann, so fällt dennoch eines auf: Sechs Spieler – darunter auch Conn-Smythe-Gewinner Jonathan Marchessault - waren schon ab der ersten Saison beim damaligen Expansionsteam (2017) im Kader. Und viele weitere sind dem Club seit mehreren Jahren treu. So konnte sich – obwohl Vegas kein klassischer Eishockeymarkt ist - ein starker Mannschaftskern und eine gewisse Identifikation mit der Franchise entwickeln. Das war auch 1993 einer der Erfolgsgeheimnisse der Montréal Canadiens, als sich diese 1993 vom Underdog zu einem Geheimfavorit in den Playoffs mauserten. Die Saison verlief durchwachsen und der spätere Playoff-MVP Patrick Roy kam lange nicht auf Touren. In den Playoffs jedoch entwickelte er sich ein ums andere Mal zum Matchwinner. Ähnlich war es auch mit dem Siegergoalie 2023 Adin Hill von den Golden Knights, der – im Schatten von Marchessault, Stone, Eichel und Pietrangelo - herausragende Playoff-Leistungen zeigte.

Solidarische Mannschaft und starke Identifikation

Gewiss galt Vegas zum erweiterten Favoritenkreis, aber wie auch 1993 gab es im Falle von Montréal doch einige Zweifler. Eines jedoch hatte Montréal, das in der ersten Runden den Geheimfavoriten Québec Nordiques nach einem Playoff-Fehlstart ausschaltete, als grosses Plus zu verzeichnen: Man war eine verschworene Gemeinschaft mit mehreren Leaderfiguren (viele zudem noch Einheimische aus der Provinz Québec) und mehr als nur einer oder zwei Produktiv-Trios. Selbst vermeintliche Rollenspieler wie den Kanada-Schweizer Paul DiPietro oder John LeClair wurden zu wichtigen Skorern und beeinflussten immer wieder das Momentum in den jeweiligen Playoff-Runden. Der Schlüssel zum Erfolg war die Kaderbalance und ein charismatischer Cheftrainer Jacques Demers sowie einige charismatische Spieler wie Patrick Roy, Captain Guy Carbonneau, Mike Keane, Brian Bellows, Vincent Damphousse, Matthieu Schneider, Patrice Brisebois, Eric Desjardin, Lyle Odelein und natürlich Denis Savard.

Favoritensterben auch in den Playoffs 1993

Wie in den Playoffs 2023 auch, profitierten die Finalteilnehmer 1993 von einem Favoritensterben in den ersten Playoff-Runden. Die „Habs“ schalteten die Nordiques de Québec in Runde Eins aus. Mit den Boston Bruins scheiterte ein weiterer Mitfavorit bereits in Runde Eins (gegen Montréals nächsten Gegner Buffalo). In der Folge patzten in Runde Zwei die hochfavorisierten Pittsburgh Penguins (gegen NY Islanders) und die Vancouver Canucks gegen die L.A. Kings mit Wayne Gretzky & Co. Der Weg war frei für die beiden Geheimfavoriten aus Montréal und L.A.. Und in dieser Finalserie entwickelte sich eine besondere Dramaturgie und Spannung - ganz Gegensatz zur eher einseitigen Angelegenheit 2023. Der Höhepunkt im Finalserien-Drama (ging auch über 5 Partien):

Langeweile 2023, Drama pur 1993

Die Montréal Canadiens lagen knapp 1:45 Minuten vor Schluss in Spiel 2 zurück und riskierten, mit einem 0:2-Rückstand nach Inglewood/Kalifornien (damaliger Spielort der Kings) zu reisen. Da spotteten die „Habs“ eine Unregelmässigkeit in der Krümmung bei Marty McSorleys Schläger. Pikant: Canadiens-Trainer Jacques Demers forderte aufgrund einer vermeintlichen Insiderinformationen eine Messung. Schiedsrichter Kerry Fraser nutzte die in der Strafbank bereitgestellte Messlatte. Dies führte zu einer Zweiminutenstrafe. Mit McSorley auf der Strafbank und einem sechsten Feldspieler erzielte Montreal ein Powerplay-Tor zum Ausgleich (2:2) und dann auch den Siegtreffer in der Overtime. Dies war das Momentum, welches die gesamte Finalserie zu Gunsten der Canadiens drehte und den „Habs“ den Weg zum 24. Stanley-Cup-Erfolg ebnete. Als die Kings den Stanley Cup 2012 gewannen, griff McSorley den Vorfall mit dem illegalen Schläger noch einmal auf und erzählte dem Journalisten Tony Gallagher, dass er genau wusste, dass er einen illegalen Schläger benutzte. „Es ist mittlerweile gut dokumentiert, dass Luc Robitaille, damals Spieler der Kings, ein Jahr später von einem Polizisten aus Montréal kontaktiert wurde. Dieser sagte, sein Gewissen mache ihm wegen des Vorfalls Sorgen. Anscheinend wurde dem Polizisten gesagt, er solle seinen Posten vor dem Spiel für ein paar Minuten verlassen, damit die „Habs“ die Stöcke untersuchen könnten um zu wissen, wer einen illegalen benutzte.» Gaetan Lefebvre jedoch, damals Sporttherapeut der Canadiens, sagte, dass dies einfach nicht wahr sei.

Fun Fact zum Abschluss: Unter den 27 Spielern Montréals war erstmals seit 1979 kein Europäer im Kader. Oleg Petrow wäre der erste Russe gewesen mit einem Stanley-Cup-Ring, doch seine neun Spiele in der regulären Saison und ein Einsatz in den Playoffs reichten für einen Eintrag auf der Trophäe nicht aus. Aus dem Kader, mit dem die Canadiens den Cup letztmals 1986 gewonnen hatten, waren noch Patrick Roy und Guy Carbonneau mit dabei.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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