Nicht nur die Sportchefs/General Manager, Kaderplaner, Chefcoaches, Geschäftsstelle, die jeweilige Clubleitung und die Marketingverantwortlichen sind dauerhaft und speziell vor dem Saisonstart fast durchgehend gefordert mit der Planung des aktuellen Spielbetriebes und der kommenden Saison. Auch jene, die den Clubs zuarbeiten oder die interessanten Tipps über die Insiderinformationen im Spielermarkt übermitteln, haben alle Hände voll zu tun. So auch die Spieleragenturen und Vermarktungsexperten. Die Arbeit einer Agentur im Eishockeybusiness ist vielseitig und komplex. Ein gutes Vertragsverhältnis zwischen NHL-Profi und den Clubs ist nämlich keine Einbahnstrasse. Die Agenturen und Clubverantwortlichen diskutieren für jeden Spieler nicht nur Vertragsdauer, Lohnsummen und Prämien/Boni für erreichte Ziele, sondern auch folgende Aspekte: Welche Perspektiven bietet die Zusammenarbeit, und zwar beidseitig? Passt der Spieler in die Kaderstruktur und zur Philosophie seines Arbeitgebers? Diese und viele weitere Fragen werden besprochen.
Networking pur
Aufgrund von Berichterstattungen haben Sportagenturen – häufig salopp und nicht zutreffend als Spielervermittlung tituliert - nicht immer den besten Ruf. Zuweilen ist das Image (in Europa) berechtigt, dennoch zeigt sich beim genaueren Hinsehen, dass die Arbeit in dieser Branche viel mehr beinhaltet als Preistreiberei zu veranstalten und (lukrative) Verträge auszuhandeln. Denn es geht – wie schon beschrieben - mitnichten nur ums Abkassieren von hohen Provisionen (im Eishockey in Europa sind dies zwischen 3,5 bis 7 Prozent auf das Brutto-Jahreseinkommen). Was macht aber eine gute Agentur aus? Fachwissen in Verhandlungstechniken, Marketing und Rechtswesen gehört dazu. Ein starkes Netzwerk in den Interessengruppen und in der jeweiligen Sport-Branche ist wichtig. Eine seriöse Agentur verbindet generell die fachlichen Fähigkeiten mit sozialer Kompetenz und ist Kommunikator/in und Netzwerker/in. Ist eine gefragte Dienstleistung nicht in im Portfolio einer Agentur vorhanden, werden Experten und Vertrauenspersonen zugezogen.
Arbeitsweise: Grosse Unterschiede zu Europa
Die Agenturen in der NHL haben eine ganz andere Arbeitsweise als jene in Europa. Während in unserem System in Europa bei den Importspielern, gemeinhin als Ausländer bezeichnet, die Verträge meist als „Netto-Netto“ verhandelt werden, sind jene in der NHL weitaus komplexer strukturiert. Verdient ein Importspieler in der DEL oder einer anderen Topliga Europas beispielsweise 100'000 Euro netto, wird diesem unter anderem die Wohnung und ein Auto gestellt, die Quellensteuer bezahlt und weitere auszuhandelnde Mehrwerte geboten. Verdient in der NHL ein Spieler beispielsweise das aktuelle Entry-Level-Gehaltsminimum von 750'000 Dollar pro Saison, muss dieser je nach US Bundesstaat oder Provinz in Kanada Steuern bis über 40 Prozent abführen, die Wohnung oder das Haus selber finanzieren und eigentlich den ganzen Lebensunterhalt mit dem verbliebenen Verdienst leisten. Aber es gibt auch Netto-Verträge. So wird natürlich oft speziell in jenen Provinzen Kanadas (Ontario, Québec, Alberta, BC) und US-Bundesstaaten (Kalifornien, Massachusetts, NY) mit einer hohen Steuerbelastung um einen Netto-Vertrag gekämpft, damit der Spieler Planungssicherheit bekommt.
So ist zuweilen für einen NHL-Profi ohne gesicherten NHL-Stammplatz die Option Europa, wo er 150'00 bis sogar 500'000 und mehr netto verdienen kann (Schweizer National League und KHL, in Einzelfällen auch in der SHL) als Schlüsselspieler zum Local Hero wird, weniger Road Trips erdulden muss und einen hohen Lebensstandart geniesst, eventuell ein interessanter und manchmal sogar lukrativerer Weg. Viele Importspieler geben zudem an, dass sie auch als Mensch ihren Horizont erweitern durften und eine lebensprägende Erfahrung mach(t)en. Was jedoch dann wegfällt: In Europa gibt es keinen Collective-Bargaining-Rahmenvertrag mit der Spielergewerkschaft, die den Spielern eine 50-Prozent-Beteiligung an den Erlösen der Liga sichert.
Die beiden Märkte seien für die Agenturen komplett unterschiedlich, sagt auch Rick Valette, einer der erfahrensten NHL-Spieleragenten. Seine Klientenliste ist erlesen und umfasst Spieler wie beispielsweise Ryan Nougent-Hopkins. Kürzlich sorgte Valette für Aufsehen mit dem Aushandeln des Siebenjahresvertrags von Jake DeBrusk in Vancouver (Cap Hit 5,5 Mio./Jahr). Es finge ja schon damit an, dass in Nordamerika die Löhne ganz offen kommuniziert werden. Ergo: In Europa müsse man als Agentur den Markt und die einzelnen Marktwerte der Spieler ganz genau kennen, um erfolgreich zu sein. „Bei euch sind alle Spieler Free Agents. Und Europas Ligen kennen keinen Collective-Bargaining-Vertrag. In der NHL existieren eine ganze Menge Regularien und Systeme, die auf eine grösstmögliche Parität zwischen den Clubs zielen. Dazu gehört auch das Draft-System.“ Natürlich gebe es in der NHL auch reichere Clubs, die erfolgreich wirtschaften in einem Markt mit Eishockey-Affinität. Aber in Europa komme es eben dennoch selten vor, dass ein Topstar bei einem Club unterkommt, der nicht zur nationalen Spitze gehört.
Langer Prozess bis zum ersehnten Ziel
Die Verhandlung eines NHL-Vertrages ist ein langer Prozess und man muss sehr viele Parameter beachten. Bei einer Verhandlung, wie beispielsweise jener mit Jake DeBrusk, sei es immer wichtig, das sogenannte Big Picture zu beachten, sagt Valette. Es gehe nie immer nur um den Lohn, sondern um die mittel- bis langfristigen sportlichen und privaten Perspektiven, um die familiären Aspekte und zuweilen auch mal um die Steuervor- oder -nachteile, die von Staat zu Staat und Provinz zu Provinz sehr unterschiedlich sind. Nicht zu unterschätzen sind die No-Trade-Bestimmungen. Bei Valettes Klienten Jake DeBrusk wurde eine Liste zusammengestellt und dann ging es darum, welcher interessierte Club das bieten könne, was dem Spieler und seinem Umfeld wichtig ist. Schliesslich waren die Vancouver Canucks die ideale Lösung in jeder Beziehung. Auch eine Rolle spielt, dass er Free Agent war. Das ermöglicht auch einen grösseren Spielraum bei der Strukturierung des Vertrages.
Auf das Gesamtpaket kommt es an
Die Agenturen und deren Klienten sind also jeweils auf der Suche nach dem besten Gesamtpaket. Dabei geht es nicht immer nur um die beste Offerte aus wirtschaftlicher Sicht oder um die Vertragsdauer. Es spielen für den finalen Entscheid weitaus mehr Parameter eine Rolle als bloss die Vertragsinhalte. Die Vertragsinhalte, das Lohnvolumen und die Erfolgsboni sind zwar wichtige Verhandlungspunkte für die NHL-Profis bei der Wahl ihrer künftigen Destination. Jedoch bei Weitem nicht die einzigen. Für viele ist der Lebensstandard, die Bedürfnisse der Familie (wie auch die eigenen), die Perspektiven (sportliche und strukturelle), die Identifikation mit dem neuen Club und seiner Philosophie wie auch die Bedeutung des Eishockeysports in den jeweiligen Regionen ein Entscheidungskriterium.
Brendan Gallagher, Identifikationsfigur der Montréal Canadiens, sagt beispielsweise ganz offen, dass ihm der Markt und der Grove, also die Stimmung im Club und die Bedeutung des Eishockeys in Montréal, am Wichtigsten seien. Es sei, so der Publikumsliebling, eine besondere Ehre in einem Ort wie Montréal ein NHL-Profi sein zu dürfen. Das spricht für jene Regionen, wo Eishockey der Sport Nummer Eins sei, beziehungsweise eine gewisse Bedeutung geniesst. Doch längst nicht alle denken so. Auch andere Parameter werden berücksichtigt und geniessen einen höheren Wert: Dann fällt meist die Wahl auf Clubs in Regionen oder Städte, die einen Top-Lebensstandard bieten, einen günstigen Steuersatz haben, gute Schulen für die Kinder und angenehme klimatische Verhältnisse offerieren und wo man ausserdem auch nicht so viel in der Öffentlichkeit steht. Für viele ist zudem wichtig, welche Unterstützungen der Club bietet um eine ideale Wohnsituation, bestimmte Vergünstigungen im Alltag und generell einen optimalen Lebensstandard für sich und sein Umfeld zu bieten. Das sind sowohl harte wie auch weiche Faktoren. Was sich aber ebenso entscheidend auswirken kann; welcher Club beziehungsweise welcher Markt ist passgenau für den jeweiligen NHL-Profi, wie ist die Teamchemie im künftigen Kader des neuen Arbeitgebers, wie ist die eigene Rolle im Team definiert und welche sportlichen und strukturellen Perspektiven des Clubs (kurz- bis mittelfristig) bieten auch für den Spieler die besten sportlichen Perspektiven. Ausserdem: Viele erfahrenere Profis spekulieren auch auf die Karriere danach und schauen auf die Möglichkeiten der Weiterentwicklung innerhalb des Clubs. Last but not least: Natürlich die Zusammensetzung General Manager/Trainerteam. Ein Eishockey-Profi will natürlich immer spüren, dass man an ihn glaubt.