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NHL Observer

Wenn in einer NHL-Organisation jemand zum Captain befördert wird, hat es eine besondere Bedeutung und eine Signalwirkung. Das Amt ist nicht nur eine grosse Ehre und Würdigung des Spielers, es beinhaltet zudem auch einige Pflichten und weckt Erwartungen. Speziell in einem Eishockeymarkt mit grossem Interessenpotenzial wie Toronto. 

Auston Matthews (26) wurde bei den Toronto Maple Leafs zum neuen Kapitän der Mannschaft ernannt. Er tritt die Nachfolge von John Tavares an, der das Kapitänsamt seit 2019 innehatte. "Ich habe Gänsehaut, ganz ehrlich. Ich fühle mich so geehrt und es erfüllt mich mit Demut", sagte Matthews. Als er vor acht Jahren gedraftet wurde, habe er natürlich schon gewusst, wie besonders es ist, für die „Leafs“ in einer Stadt wie Toronto zu spielen und jede Partie das Maple Leaf auf der Brust zu tragen. Auch der bisherige Captain John Tavares unterstützte die Entscheidung und sagte zu den Medien: „Wir haben darüber gesprochen, ich und GM Brad Treliving. Und wir waren beide der Meinung, dass Auston jetzt zu diesem Zeitpunkt der Richtige dafür wäre, diese Rolle zu übernehmen. Er ist ein Anführer und kann das Team mitreissen.“

Erinnerungen an die Rochade Thornton/Pavelski

Die Art und Weise, wie es dazu kam, dass das Captain-Amt von John Tavares zu Auston Matthews übertragen wurde, erinnert an die Vorkommnisse bei den San Jose Sharks im 15. Oktober 2015: Damals wurde Joe Pavelski zum neuen Captain berufen. Er erbte das Amt von Club-Legende Joe Thornton, der damals die Rochade akzeptierte, wie Tavares jetzt auch.

Denn: Die Rolle des Captains wird oft unterschätzt – besonders wenn es um die Playoffs geht und wenn man sportlich vor Herausforderungen steht wie die Leafs erneut in dieser Saison. Nebst der Hardskills sind auch Softskills als Leaderfigur gefragt. Bei den Captains sind die vielzitierten Softskills ein wichtiger Bestandteil in ihrem Rollenselbstbild. Aber was sie vor allem verkörpern müssen ist Leadership in all seinen Facetten und vor allem dann, wenn es nicht ganz rund läuft und dies gefragt ist.

Der Wert des Captain-Amts 

Immer wieder ist zu beobachten, wie ein Team führungslos wirkt, wenn es keine starke Captain-Persönlichkeit hat. Aber zum geborenen Captain wird nicht immer der spielstärkste oder   dienstälteste Profi. Auch nicht derjenige mit dem lukrativsten Vertrag. Meistens sind es Spieler mit besonderen Verdiensten für den Club oder für das Team. Manchmal werden auch sehr junge Spieler zu Captains befördert wie beispielsweise Nico Hischier in New Jersey. Der Schweizer ist zwar kein Lautsprecher, aber ein absolutes Vorbild in seiner Spielweise, ist hoch angesehen im Team und kann gut als das Gesicht der Zukunft bei den Devils verkauft werden.

Auffällig in den Captain-Diskussionen ist, dass wenn eine Mannschaft oder ein Coach keinen Captain ernannt hat, sich einige Probleme in der Kabine nicht von selbst lösen, beziehungsweise es zu viele Wortführer gibt. Captains sind zudem besonders wichtig in den Original Six- und klassischen Eishockey-Standorten. Auch aus der Sicht des Marketings und als Identifikationsfiguren. Vor einigen Jahren bestritten ausgerechnet die Montréal Canadiens (2010 und 2014) und Toronto Maple Leafs (2015 – 2018!) eine oder mehrere Saisons ohne offiziellen Captain. Das hatte besonders im Falle Montréals 2014 einige Konsequenzen im Verlauf der Saison, als es sportlich nicht lief. Die Experten kritisierten Trainer und General Manager, dass sie die Ernennung nicht forcierten (damals waren Markov, Gionta und Cammalleri die Kandidaten). „Es gab Momente, als wir uns alle einen Captain wünschten, der das Team aufrütteln sollte“, sagte jeweils Bob Hartley, damals TV-Experte bei RDS.

Eindringen in die Herzen der Fans

Speziell in Märkten wie Toronto oder Montréal Captain zu sein, ist zudem eine besondere Ehre und Herausforderung. Auston Matthews tritt in die Fussstapfen von Spielern mit Legendenstatus wie Mats Sundin (1997/98 – 2007/08), Doug Gilmour (1994/95 – 1996/97) und Wendel Clark (1991/92 – 1993/94). Zuletzt aber hatten Dion Phaneuf (2011 – 2015) und eben John Tavares nicht die Aura ihrer populären Vorgänger. In Montréal ist es zudem schwierig als Captain zu bestehen, wenn man kein Franko-Kanadier ist wie bisher die meisten Kapitäne in der Geschichte der „Sainte-Flanelle“. Die Namen von Newsy Lalonde, Emile Bouchard, Maurice Richard, Henry Richard, Jean Beliveau, Yvan Cournoyer, Serge Savard, Guy Carbonneau, Pierre Turgeon oder auch Vincent Damphousse zeigen auf, was es bedeutete und heute noch heisst, Captain der „Habs“ zu sein. Unter den wenigen Ausnahmen waren Toe Blake, Dick Irvin, Bob Gainey, Kirk Muller, Saku Koivu, Brian Gionta, Max Pacioretty, Shea Weber und nun auch Nick Suzuki. Aber nur diejenigen, die auch wirklich sich um Kenntnisse der französischen Sprache bemühten und Interesse an die Kultur Québécs zeigten (wie beispielsweise Bob Gainey!), wurden auch zu hundert Prozent akzeptiert. Andere, wie Saku Koivu, waren Publikumslieblinge, aber nie wirklich voll und ganz in die Herzen der Fans eingedrungen.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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