Das punktbeste Team der Regular Season – die Winnipeg Jets – sind ausgeschieden. Und dies, nachdem sie von sieben Heimpartien nur eines verloren hatten. Auswärts gab es nur Niederlagen und so ist die Playoff-Bilanz sogar mit 6:7 negativ – trotz des Vordringens in die Conference Halbfinals. Bei den Winnipeg Jets und besonders auch beim Eastern-Conference-Finalisten Carolina Hurricanes war es sehr auffällig, wie heimstark diese Mannschaften in den Playoffs 2025 waren. Auch die Edmonton Oilers gehören zu jenen Mannschaften, die unter anderem auch wegen ihrer überragenden Heimsieg-Quote auch 2025 wieder einen langen Playoff-Weg hinter sich haben.
Playoff-Heimsieg-Quote bei über 50 Prozent
In den letzten Jahren zeigen die Statistiken, dass in den NHL-Playoffs die Heimsieg-Quote bei rund 55 Prozent liegt. 2025 war die Heimsieg-Quote vorübergehend in der ersten Playoff-Runde bei fast 60 Prozent – so wie 2017 beim Rekordhoch aus den Statistiken der letzte zehn Jahre. Diese ist nun nach der zweiten Playoff-Runde 2025 auf knapp 52 Prozent gesunken – auch nachdem die Toronto Maple Leafs ihr Game-7-Entscheidungsspiel gegen Florida verloren hatten (es war die achte Belle-Pleite in Folge für Toronto – siehe unseren Beitrag „Traumfinal geplatzt- Die Angst vor dem Albtraum-Final“).
Was jedoch jedes Jahr besonders auffällt – nimmt man die Heimpleite Torontos gegen Florida aussen vor: in den entscheidenden Partien – speziell in Spiel 7 einer Serie – der Heimvorteil noch ein wenig deutlicher ist. Ein Beispiel sticht da heraus: Die Florida Panthers holten sich den Stanley Cup 2024 in Spiel 7 im heimischen Stadion nach einer richtig eng umkämpften Serie gegen die Edmonton Oilers. Allerdings gab es bemerkenswerte Ausnahmen: 2019 wurden erstmals in der NHL-Geschichte alle Divisionssieger in der ersten Runde eliminiert – unter anderem auch wegen verlorenen Auftaktpartien vor Heimpublikum. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden die Playoffs im Folgejahr in neutralen Bubble-Standorten ohne Zuschauer ausgetragen, wodurch der traditionelle Heimvorteil entfiel. In den Jahren 2023 und 2024 gewannen Auswärtsteams mehr Spiele als Heimteams (!).
Gästeteams in der Neuzeit professioneller vorbereitet
Es war übrigens in der Frühzeit der NHL einmal ganz anders: Historische Daten belegen, dass bis in die 50er- und 60er-Jahren die Heimteams einen signifikanten Vorteil hatten: Die Gewinnquote der Auswärtsteams war bei etwa 35%. Dass dies anders wurde hat mit einigen Faktoren zu tun:
Mehrere Faktoren könnten zum Rückgang des Heimvorteils beigetragen haben: Modernere Transportmittel und optimierte Reisepläne reduzieren die Belastung für Auswärtsteams. Dann kamen auch die neuen Möglichkeiten in der Videoanalysen und im Datenmanagement, was Auswärtsteams eine bessere Vorbereitung auf die Gegner und auf die Bedingungen vor Ort ermöglichten. Und nicht zu unterschätzen: Die psychologische Anpassung. Spieler sind heute mental besser darauf vorbereitet, in „feindlichen Umgebungen“ zu spielen.
Gibt es auch einen Heimnachteil?
Als Heimvorteil wird die erhöhte Wahrscheinlichkeit bezeichnet, einen sportlichen Wettbewerb unter heimischen Bedingungen erfolgreich zu beenden. Ein absoluter Heimvorteil liegt vor, wenn die Wahrscheinlichkeit, unter heimischen Bedingungen zu siegen, grösser ist als 0.5. Von einem relativen Heimvorteil kann dann gesprochen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit, unter heimischen Bedingungen zu gewinnen, grösser ist, als zu verlieren. Bei einer Orientierung an den gewonnenen und zu vergebenden Punkten liegt ein Heimvorteil vor, wenn mehr als 50 Prozent der möglichen Punkte zu Hause gewonnen werden ( Prof. B. Strauss). Aus sportwissenschaftlicher und -psychologischer Sicht soll der Heimvorteil zuweilen auch ein Heimnachteil sein: Wenn beispielsweise der Druck auf die Spieler, vor den eigenen Fans performen zu müssen, zu gross erscheint. Oder auch, wenn aufgrund der aufgeheizten Stimmung die Spieler der gegnerischen Mannschaft sogar noch motivierter sind als jene des Heimteams. Natürlich spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise der mentale Umgang der Schlüsselspieler in diesen besonderen Spielen, welche so manche vielleicht spielbeeinflussende Entscheidung in den Matches herbeiführen. Manche Fachleute behaupten ja, dass der „Heimvorteil besonders im Kopf“ stattfinde und dass die gewohnte Umgebung und Routine ausschlaggebend sei für den Heimvorteil. Bei den heutigen Profis würde der Druck, den die gegnerischen Fans ausüben würden, eher motivierend denn einschüchternd wirken. Und nicht wenige sagen sogar, dass in den Playoffs der von den eigenen Fans provozierte Adrenalin- und Motivationsschub unter anderem sogar negative Folgen hätte (übermotivierte Spielweise, Erwartungsdruck und so weiter).
Psychologischer Impact
Der Fan-Einfluss sowie jener aus dem direkten und indirekten Umfeld ist natürlich spürbar. Es gibt viele Studien über die Wirkung der Fans auf die Leistungen der Mannschaften, die nun jetzt wieder ausgegraben werden. Die meisten sind statistisch gestützt. So sagt beispielsweise Daniel Memmert, Professor am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der deutschen Sporthochschule Köln: „Einen Heimvorteil gibt es tatsächlich, er ist nachweisbar, aber er hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Aktuell reden wir von ungefähr 50 Prozent siegreich gestalteten Heimspielen in den meisten Mannschaftssportarten. Aber der Heimvorteil hat eher weniger mit den Zuschauern im Stadion zu tun. Der Einfluss der Zuschauer wird nämlich systematisch überschätzt.“ Diese Überschätzung des Heimvorteils hat mehrere Gründe. Einige wurden schon aufgeführt, wie die Motivation, es den feindseligen Fans so richtig zu zeigen. Die NHL-Profis sind zudem nunmehr so fokussiert auf ihre Leistung und psychologisch so gut vorbereitet, dass sie aus jeder Lage und aus jeder Emotion das Momentum ziehen können. Ausserdem: Die Schiedsrichter lassen sich weniger beeinflussen als früher. Ein Vorteil resultiere, so sagen die sportwissenschaftlichen Studien, eher mit der Vertrautheit mit der eigenen Sportstätte, dem Stadion, der Kabine. Sogar die Menschen, die einem auf dem Weg von der Kabine begrüssen und abklatschen, könnten schon eine Rolle spielen, wird Professor Memmert zitiert. Dass die Fans aber das viel zitierte Momentum beeinflussen können, ist empirisch nicht beweisbar, aber „gefühlt erwiesen“. Speziell in der NHL bei den Playoff-Auftaktspielen und in Spiel 7 sollen, so besagen einige Untersuchungen, die Fans und der Heimvorteil entscheidend sein (diverse Quellen, u.a. Kyle McMahon). Was dann aber in Synergie mit der Fan-Unterstützung mitwirken müsse, sei entweder die Übernahme des Zepters der Heimmannschaft in spielerischer, kämpferischer oder emotionaler Sicht. Oftmals ist das Momentum in den ersten beiden Playoff-Partien und in Spiel 5 wirksam, weil es den Ton für die Serie angibt. Diese These ist aber alles andere als sakrosankt, nicht statistisch bewiesen und nur auf Erfahrungswerte basierend.
Auch wenn die Profi-Referees kaum mehr eine Belastung oder einen Druck wegen der Stimmung im Stadion spüren, so wurde in einer Studie von 2002 mit dem Titel „The influence of crowd noise and experience upon refereeing decisions. Psychology of Sport and Exercise“ (durch Nevill, A. M., Balmer, N. J., & Williams, A. M.) die Wirkung der heimischen Fans auf die Schiedsrichter wenigstens statistisch nachgewiesen. Aber auch hier zeigte sich in den letzten zwei Jahrzehnten mit der Professionalisierung und auch dank der Digitaltechnik ein eher gegenteiliger Trend.