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NHL Observer

Nein, er war nicht wie Terence Hill im bekannten Italo-Western aus den 70er-Jahren ein Nobody - ganz im Gegenteil. Johnny Gaudreau wurde sogar „Johnny Hockey“ genannt - aufgrund seines Spielwitzes, welcher allen Eishockeyfans in Erinnerung bleiben wird. 

Die NHL-Familie und alle Fans darüber hinaus waren schockiert von der Meldung: Stürmerstar Johnny Gaudreau ist im Alter von nur 31 Jahren ums Leben gekommen. Ein alkoholisierter Autofahrer erfasste Gaudreau inklusive Bruder Matthew, als sie mit dem Fahrrad unterwegs waren. Beide erlagen ihren Verletzungen. Im Gedächtnis bleiben werden den NHL-Fans Johhny Gaudreaus einwandfreier Charakter, der ihm bei seinen Teamkollegen viel Sympathie einbrachte und seine attraktive und trickreiche Spielweise, mit welcher er sich den Spitznamen „Johnny Hockey“ verdiente. John Michael Gaudreau hinterlässt seine Frau Meredith und zwei kleine Kinder (Tochter Noa und Sohn Johnny). Auch sein Bruder Matthew war dabei, eine Familie zu gründen. Seine Ehefrau Madeline ist schwanger mit ihrem ersten Kind. Ebenfalls tragisch: Beide Brüder sollten nur zwei Tage später Trauzeugen sein bei der bevorstehenden Hochzeit ihrer Schwester.

Schon in frühester Jugend ein Spektakelspieler

Johnny Gaudreau war bereits in seiner Juniorenzeit ein Garant für Spektakelhockey und einer der Publikumslieblinge – aber auch bei den Scouts fiel er früh auf. In den Midget-AAA bei den Philadelphia Junior Flyers in der Atlantic Youth Hockey League (AYHL) und dem Team Comcast in der Midwest Elite Hockey League (MWEHL) wurde er in den Notizen der Scouts schnell als Rohdiamant vorgemerkt. Zur Saison 2010/11 wechselte er zu den Dubuque Fighting Saints in die United States Hockey League (USHL), der höchsten Juniorenspielklasse der Vereinigten Staaten. Mit den Saints gewann er am Saisonende den Clark Cup, die Meistertrophäe der USHL. Es folgten danach mehrere persönliche Auszeichnungen, darunter auch die Wahl zum Rookie of the Year. Danach ging es aber erst richtig los: Gaudreau spielte zwischen 2011 und 2014 für das renommierte Boston College in der Hockey East (NCAA). In seinem ersten Jahr an der Universität gewann er mit den Boston College Eagles zunächst die Meisterschaft und qualifizierte sich für das Finalturnier der NCAA, die Frozen Four, und gewann das Turnier und somit den Meistertitel. Gaudreau selbst wurde in das All-Rookie-Team und das Second-All-Star-Team der Hockey East gewählt und als wertvollster Spieler des Finalturniers der Hockey East ausgezeichnet. Auch in den folgenden Jahren gehörte der Stürmer zu den herausragenden Spielern der College-Liga und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, die in der Verleihung des Hobey Baker Memorial Award am Ende der Spielzeit 2013/14 gipfelten. In dieser Saison erzielte er in 40 Partien 80 Punkte.

Bereits früh Publikumsliebling in Calgary

Bereits 2011 war sein Weg in die NHL vorgezeichnet. Im NHL Entry Draft wurde er - erstaunlicherweise erst in der vierten Runde an 104. Position - von den Calgary Flames gewählt. Aber erst nach Abschluss der College-Zeit sollte seine grosse Chance kommen, die er gleich nutzte: Johnny Gaudreau schaffte umgehend den Sprung in den NHL-Kader und kam nur wenige Tage später zu seinem Debüt, bei dem er einen Treffer erzielte. Am Ende der Saison 2014/15 führte er die Rookie-Scorerliste gemeinsam mit einem gewissen Mark Stone mit 64 Punkten an und war Finalist für die Calder Memorial Trophy (damaliger Sieger: Aaron Ekblad). Zudem wurde er ins NHL-All-Rookie-Team gewählt.

Bei den Calgary Flames wurde er schnell zum Star des Teams. Der Höhepunkt: Nach einer unglaublichen Saison 2021/22 mit 115 Punkten in 82 Spielen unterschrieb der 31-jährige Amerikaner einen Vertrag über sieben Jahre bei den Columbus Blue Jackets. Er schien der ideale Spieler zu sein, der den Jackets beim Kader-Rebuilding den nötigen Schub und die Glaubwürdigkeit verleihen konnte. Dies, nicht nur aufgrund seines Spielwitzes. Der linke Flügelstürmer war von 2014 bis heute in 763 NHL-Partien im Einsatz und erzielte 743 Punkte – also fast einen Punkt pro Partie. Im Jahr 2017 ehrte man den damals 23-Jährigen – zu dieser Zeit noch bei den Calgary Flames im Einsatz - sogar mit der Lady Byng Memorial Trophy, die jährlich von der Professional Hockey Writers Association an jenen Spieler verliehen wird, der einen hohen sportlichen Standard und vorbildliches Benehmen kombinieren konnte. Und daran sieht man, dass „Johnny Hockey“ eben nicht nur ein sogenannter Schönwetterspieler oder Schillerfalter war, sondern ein Spieler mit hoher Arbeitsethik. Ausserdem rief er jeweils seine Top-Leistungen dann ab, als es darauf ankam. Besonders in den Playoffs mit den Flames zeigten sich seine Qualitäten, speziell 2022 (14 Punkte in 12 Partien, darunter auch matchentscheidende). Zuletzt in Erinnerung blieb er dem hiesigen Eishockey-Publikum mit seiner Teilnahme an der WM in Tschechien im Mai 2024, als er mit 11 Punkten in 8 WM-Partien für die USA glänzte.

Hoffnungsträger im Rebuilding der Jackets

Johnny Gaudreau war voller Erwartung auf die neue NHL-Saison. 2023 war sein Saisonstart mit nur zwei Toren aus den ersten 19 Partien relativ bescheiden ausgefallen. Aber er fing sich wieder auf und wurde seiner Rolle in der zweiten Saisonhälfte gerecht. So erzielte er in den restlichen Partien immerhin noch weitere 54 Punkte mit einem Team, das schon sehr früh in der Saison nicht mehr mit einer Playoff-Qualifikation spekulieren durfte. Ebenfalls freute er sich, nach einigen Jahren wie einst in Calgary wieder mit Sean Monahan (neu zu den Blue Jackets gestossen) zu agieren und bei der Entwicklung von Supertalent Adam Fantilli dabei zu sein.

„Johnny Hockey“ sollte die wichtigsten Impulse in der Offensive geben. Die Blue Jackets waren letzte Saison offensiv zwar nicht die schlechteste Mannschaft, aber statistisch diesbezüglich dennoch in der unteren Hälfte (auf Platz 24 der Liga mit 2,85 Toren pro Spiel), den 5-gegen-5-Abschlüssen (18. mit 59,47 pro 60 Minuten) und bei weiteren Offensivstatistiken. Darüber hinaus erreichten nur drei Spieler die 40-Punkte-Marke (Johnny Gaudreau, Zach Werenski und Kirill Marchenko). Auch die Powerplay-Quote (15,1 %) war die zweitschlechteste in der Liga.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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