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NHL Observer

Die National Hockey League wächst – sportlich, wirtschaftlich und geografisch. Und es drängen weitere Projekte nach. Zuletzt haben die Integrierung der NHL-Märkte in Seattle und bereits nach erst einem Jahr in Utah gut funktioniert. Das erstaunt nicht, wenn man analysiert, wie alles geplant und welche Fehler vermieden wurden. Denn nicht jeder neue Markt wird automatisch zu einem Erfolg. 

Die National Hockey League gilt als eine der stärksten Sportligen der Welt. Doch selbst in diesem Milliardenkosmos ist nicht jeder Markt automatisch erfolgreich. Bei der Etablierung eines Sportmarktes sind zwar Träume erlaubt, aber für eine langfristige Etablierung braucht es Weitsicht und die richtigen Grundlagen. Während sich in Las Vegas, Nashville oder Tampa Bay gut integrierte Hockey-Kulturen etabliert haben, scheiterten Standorte wie Atlanta oder zuletzt Arizona trotz vielversprechender Ansätze. Die jüngere Geschichte der Liga zeigt eindrücklich, welche Faktoren entscheidend sind, um einen NHL-Markt dauerhaft aufzubauen – und welche Fehler man vermeiden muss.

Zunächst ist es wichtig zu verstehen: Ein NHL-Markt ist ein Ökosystem aus Sport, Kultur, Wirtschaft und Community. Wer die Marke lokal verankert, Fans in den Alltag holt, Unternehmen einbindet, Medien bespielt und Wertschöpfung generiert, baut Nachhaltigkeit auf. Wer diese Lektionen ignoriert, verliert – egal wie groß die Stadt ist. Die NHL der 2020er zeigt: Hockey kann überall funktionieren, wenn es konsequent gedacht wird. Aber sie zeigt auch: Halbherzigkeit wird bestraft.

Die Grundlagen: Eigentümer, Arena, sportlicher Plan und Customer Journey

Wie in jeder erfolgreichen Strategie müssen bei einem Projekt zunächst die Grundlagen stimmen. So ist es natürlich auch beim Aufbau eines stabilen NHL-Marktes. Am Anfang stehen vor allem eine stabile Ownership, eine zentrale Arena-Lösung und ein nachvollziehbarer sportlicher Pfad. Dazu gehört auch der Aspekt der Customer Journey (Kundenerlebnis) im B2C- (Business-to-Customer) wie auch im B2B-Bereich (Business-to-Business). Das Kundenerlebnis ist deshalb bereits in der Frühphase wichtig, weil man die Kernzielgruppe und die erweiterten Interessengruppen für ein Projekt begeistern muss. Besonders, wenn in diesem Falle der Eishockey-Sport in der Region oder Stadt noch keine lange Tradition geniesst. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt: Wo eines dieser Elemente fehlt, gerät das gesamte Konstrukt ins Wanken. Der Fall Arizona ist das Paradebeispiel: Über Jahre fehlte eine zentrale Arena, politische Rückendeckung blieb aus, Eigentümer wechselten oder gerieten in Schieflage. Und: Es gab bei den Sportfans der erweiterten Region nie eine breite starke Identifikation oder Bindung – weder mit dem Club noch mit der Sportart. Natürlich ausgenommen der - im Verhältnis zur restlichen NHL - wenigen treuen Fans. Auch der Fall der Atlanta Thrashers ist sinnbildlich: Zwischen 1999 und 2011 erreichte das Team nur einmal die Playoffs, die Ownership war zerstritten, Arena- und Standortfragen blieben ungelöst und Community-Arbeit rudimentär. In einer Stadt voller Sport-Alternativen war NHL-Hockey ein Fremdkörper. Die Zuschauerzahlen sanken, Sponsoren zogen sich zurück. 2011 war Schluss und die Franchise zog nach Winnipeg um.

Marke und Identität: mehr als Logos und Farben

Dann kommt natürlich der Markenaufbau ins Spiel. Und da geht es nicht um Designkosmetik, sondern Identitätsarbeit. Ein Team braucht eine Geschichte, die zur Stadt passt. Nashville hat vorgemacht, wie das geht. Die Predators entwickelten “Smashville“ – ein Mix aus Country-Kultur und Hockey. Spiele in der Bridgestone Arena sind heute gesellschaftliche Ereignisse, in denen Live-Musik, Tailgating und Sport verschmelzen. Aus einem belächelten Standort wurde so ein stabiler Markt mit ausverkauften Hallen und nationaler Sichtbarkeit.

Community-Arbeit: die Basis für Nachhaltigkeit

Ein NHL-Markt lebt davon, in den Alltag der Stadt einzuwachsen. Grassroots-Programme sind der Schlüssel. Tampa Bay hat dies konsequent umgesetzt. Vor allem seit 2010, als Besitzer Jeff Vinik einstieg, als die “Bolts“ finanziell etwas strauchelten. Er investierte nicht nur in die Lightning, sondern auch in die Region. Inline-Rinks, Street-Hockey-Programme und Schulinitiativen brachten den Sport in Familien und Klassenzimmer. Die Lightning setzten also auf Stadtentwicklung plus Sport. Rund um die Amalie Arena entstanden Gastronomie, Hotels und Arbeitsplätze. Sponsoren sahen mehr als Werbewert – sie investierten in eine Stadt, die mit ihrem Team wuchs. Heute gilt Tampa als einer der stabilsten Märkte der NHL. Das langfristige Resultat – natürlich begünstigt durch spätere sportliche Erfolge: Dauerhaft ausverkauftes Stadion, mehr Nachwuchs und eine emotionale Verwurzelung, die unabhängig von Siegen trägt. Als die Lightning 2020 und 2021 den Cup gewannen, war die Basis längst gelegt. Unter Viniks Führung gewannen die Lightning 2020 und 2021 den Stanley Cup. Er gilt als einer der besten Owner der NHL, weil er Team und Stadt langfristig auf Erfolg ausrichtete (sportlich und wirtschaftlich).

Zielgruppen und Wertschöpfungsketten

Erfolgreiche Märkte unterscheiden präzise zwischen B2C (Fans) und B2B (Unternehmen). Für Fans braucht es Segmente: Familien schätzen günstige Pakete, Studenten spontane Ticketdeals, Hardcore-Fans Dauerkarten und Nähe zum Team. Für Unternehmen sind Hospitality-Pakete, Sponsoring mit KPIs und CSR-Kampagnen entscheidend. Wer beides klug kombiniert, baut eine Fanbasis und ein wirtschaftliches Rückgrat auf. Winnipeg etwa band nach der Rückkehr der Jets sofort das lokale Business-Ökosystem in die Franchise ein – die Corporate-Suites waren binnen Tagen vergriffen. Aber: Ein NHL-Klub verdient nicht nur an Tickets, Sponsoring, Broadcasting und Merchandise. Die eigentliche Nachhaltigkeit entsteht durch sekundäre Wertschöpfung: Arena-Distrikte, Tourismus-Effekte und Immobilienentwicklung. Edmonton hat dies mit dem Ice District rund um Rogers Place perfektioniert. Ein ganzer Stadtteil wurde revitalisiert, Arbeitsplätze geschaffen und die Wertschöpfung vervielfacht. Ein Klub, der solche Effekte nicht erschließt, verschenkt Chancen.

Medien und PR: Sichtbarkeit schafft Relevanz

Und: Hockey braucht Aufmerksamkeit. Lokale TV-Präsenz ist Pflicht, doch heute entscheidet Content über Reichweite. Die Carolina Hurricanes haben sich über Social Media neu erfunden. Humorvolle Clips, Mic’d-Up-Videos und Storm-Surge-Rituale machten die Franchise viral. Wer Spieler als Persönlichkeiten inszeniert, gewinnt Fans über die Hardcore-Community hinaus. Bei den Traditionsclubs ist das Vorgehen vor allem ein Inszenieren der Relevanz des Clubs für die Stadt, Region oder - in Kanada zumindest - gar für das ganze Land.

Best Case: Die Vegas-Formel

Die Vegas Golden Knights gingen 2017 den umgekehrten Weg. Von Beginn an stand eine Vision: Hockey sollte Teil der Entertainment-Identität der Stadt werden. “Vegas Born“ war mehr als ein Claim - es wurde zur Haltung. Die T-Mobile Arena am Strip war perfekt platziert, leicht erreichbar, eingebettet in das Entertainment-Viertel. Das Team lieferte sofort sportlich: Stanley-Cup-Final im Debütjahr und Cup-Sieg 2023. Binnen sechs Jahren wurde aus einem Expansion-Team eine Liga-Marke, die auf und neben dem Eis ernst genommen wird. Die Erfolgsformel: zentrale Arena, starke Marke, gute Customer Journey, schneller sportlicher Erfolg.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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