Das Ambrì-Fieber und seine Nebenwirkungen

Ambrì hat auch dank einem unzerstörbaren Teamspirit die Überraschung geschafft. Nun trennt sich das Team (temporär). Manche sehen sich an den Weltmeisterschaften wieder, andere konzentrieren sich auf den Wechsel zu einem neuen Team und wieder andere haben einfach „nur“ Ferien. Eine Übersicht:

Benjamin Conz: Er ist der leise Held der vergangenen tollen Saison. Alles redet vom Trio Infernale, aber nur wenige von Benjamin Conz im Tor. Er spielte seine beste Saison seit sechs Jahren. Mit über 91.8% Fangquote war er der sechstbeste Torhüter der Regular Season und lag damit über dem Liga-Durchschnitt. Damit liess Conz in der Qualifikation unter anderem Jonas Hiller deutlich hinter sich. In so vielen Spielen gab er seinem Team die Chance zu gewinnen. Man denke beispielsweise nur an das Spiel am 16. November in Bern, als das Schussverhältnis bei 37:17 für den SC Bern war, aber Ambrì im Penaltyschiessen gewinnen konnte. Es ist von unschätzbarem Wert, dass er seinen Vertrag um zwei Saisons verlängert hat. Kann er sich noch einmal steigern, dürfte das dem HCAP einen weiteren Schub geben. Gelingt ihm das, wird er spätestens dann wieder zu einem Thema für die Nationalmannschaft. Es könnte sein, dass er für die erste Phase der WM-Vorbereitung, mangels Alternativen, aufgeboten wird. Spielt er so weiter, wird es nicht mehr lange gehen bis er wieder fester Bestandteil der Nationalmannschaft wird.

Adrien Lauper: Die Nummer 96 mauserte sich während seinem Engagement zu einem Publikumsliebling in der Valascia. Nach fünf Saisons in der Leventina kehrt „Bouby“ zu Fribourg zurück. Der Flügelstürmer der vierten Linie verkörperte das Spiel Ambrìs wie kaum ein anderer. Er lief immer bis ans bittere Ende. Lauper unterliess es nicht, sich über die sozialen Medien bei den Biancoblù-Tifosi zu bedanken: «Ich bin sehr stolz einen kleinen Fussabdruck in diesem Verein hinterlassen zu haben. […] Ein Teil in mir wird immer blauweiss bleiben.»

Adrien Lauper wechselt nach fünf Saisons in der Valascia zurück zu Fribourg.
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Michael Fora: Fora hat ein unglaublich turbulentes Jahr hinter sich. Nach seiner Rückkehr aus Carolina im Herbst brauchte er eine gewisse Zeit, bis er seinen Platz in der Mannschaft wiedergefunden hatte. Just zu diesem Zeitpunkt hatte auch die Mannschaft eine Krise zu überwinden. Kaum zurück in der Schweiz wurde er wieder für die Nationalmannschaft aufgeboten. Nach den Schwierigkeiten zu Beginn, ist er dann wieder zum wichtigen Teil geworden. Gerade im Powerplay spielte er eine zentrale Rolle. In 30 Spielen der Regular Season kam Fora noch auf 14 Skorerpunkte. Das Highlight kam dann aber in den Playoffs mit dem Game-Winner in Spiel 4 in der Valascia. Seine Saison ist noch nicht beendet. In Kürze wird er ins Vorbereitungscamp der Nationalmannschaft einrücken und es ist anzunehmen, dass er auch nach Bratislava an die WM reisen wird. Dann dürfte sein Sommer etwas ruhiger werden als der vor einem Jahr.

Samuel Guerra: Nach nur einem Jahr zieht Samuel Guerra bereits wieder weiter. Überspitzt könnte man sagen: Er beginnt eine neue Runde. Guerra kehrt mit einem Zweijahresvertrag zum HC Davos zurück. Vor seinem Engagement bei den ZSC Lions spielte er bereits bei den Bündnern. Guerra hat in dieser Saison sämtliche 55 Spiele für Ambrì absolviert und dabei 19 Skorerpunkte erzielt. Elf dieser Punkte kamen im Powerplay. Dies ist ein immenser Wert. Nur Zwerger und Kubalik haben im Powerplay mehr Assists gegeben als Guerra. Dies zeigt einerseits wie wichtig er für das Überzahlspiel war. Andererseits profitierte er enorm davon, dass er in der Formation um Kubalik und Hofer spielte. Von total 15 Assists waren acht „secondary Assists“. Dazu hat kein anderer HCAP-Spieler in der ganzen Saison so viele Strafminuten gesammelt wie Guerra. Die Verteidigerkollegen Fischer und Ngoy haben ebenfalls alle 55 Spiele gemacht und kommen kumuliert nicht auf so viele Strafminuten. Guerra wird im Sommer erneut mit zügeln beschäftigt sein. Es ist definitiv schade, dass er Ambrì bereits wieder verlässt, aber man ist weit davon entfernt zu sagen, dass er nicht ersetzbar ist.

Dario Rohrbach: Kaum einer steht auf dem Eis so für den Aufschwung des HCAP, wie Dario Rohrbach. Gleichzeitig hat er eine so turbulente Saison hinter sich, wie wohl keiner im Team. Begonnen hat noch alles ziemlich ruhig – in der Swiss League bei den HCB Ticino Rockets. Aber schon bald wurde er von Luca Cereda nach Ambrì geholt. Am 4. Januar 2019 kam dann sein grosser Moment und das erst noch in einem Tessiner-Derby. Rohrbach erzielte mit dem zwischenzeitlichen 3:0 in Lugano das erste Tor in der National League. Drei weitere sollten in dieser Saison noch folgen. In 19 Spielen in der Regular Season kam er auf eine +3-Bilanz. Auch wenn man auf diese Statistik bekanntlich nicht zu viel geben sollte, ist dieser Wert erstaunlich. Nur drei andere Stürmer erreichten einen positiven Wert. Dabei „profitierte“ Rohrbach von der geringen Eiszeit, die er hatte. Nur zwei Stürmer hatten eine tiefere durchschnittliche Eiszeit, als die Nummer 9. Rohrbach machte ein stetes Auf und Ab durch. Der 20-Jährige ersetzte Zwerger in der ersten Linie, Novotny in der zweiten Formation, fungierte als 13. Stürmer oder musste wie in drei von fünf Spielen in den Playoffs zuschauen. Man ist fast versucht zu sagen, dass Rohrbach Ceredas Joker war. Rohrbach hat noch ein Jahr plus Option Vertrag. Nun gilt es im Sommer alles Geschehene zu verdauen und sacken zu lassen. Macht er kommendes Jahr einen weiteren Leistungssprung, dürfte er schnell über die Joker-Rolle hinauskommen.

Dominic Zwerger & Fabio Hofer: Wie der Sommer von Fabio Hofer ab Ende Mai aussieht, ist von aussen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu sagen. Hofer hat (nur) einen Einjahresvertrag mit Option unterzeichnet, als er vor einem Jahr nach Ambrì kam. Ob eine der beiden Seiten diese Option zieht oder der Vertrag gar vorzeitig verlängert wird, ist bisher noch nicht bekannt. Nach Startschwierigkeiten ist der Flügelstürmer aufgeblüht und war in der Serie gegen Biel für mich der beste Spieler Ambrìs. In der Regular Season konnte er im Powerplay neun Tore erzielen. Das ist Ligabestwert und beispielsweise zwei mehr als Dominik Kubalik. Sollte er gehen, wäre es ein herber Verlust. Nun steht für Hofer und Zwerger die WM in der Slowakei mit Österreich an. Vor einem Jahr haben die Österreicher es geschafft, sich in der A-Gruppe zu halten. Selbstverständlich ist dies erneut das Ziel. In einer Gruppe mit der Schweiz, Italien und Tschechien wird es zu diversen «Ambrì-Duellen» kommen. Für Zwerger ist der weitere Sommer danach geregelt. Nach einer (kurzen) Erholungsphase geht es in Ambrì ins Sommertraining. Zwerger hat die überragende erste Saison in der Leventina punktemässig gar noch getoppt. Dass Duca ihn in Ambrì halten kann, ist das eine, aber dass er es schaffte ihn gleich drei Jahre zu verlängern ist ein veritabler Coup. Ohne Kubalik könnte er zum Star in einem homogenen Team werden.

Fabio Hofer (Nummer 91) erzielte in dieser Saison am meisten Powerplay-Tore der ganzen Liga - Bleibt er in Ambrì?
PHOTOPRESS / Alessandro Crinari

Diego Kostner & Tommaso Goi: In seiner dritten Saison in Ambrì kämpfte Kostner immer bis zum Umfallen. Der Center der dritten Linie führte die „Kampf-Linie“ an. Er kam immerhin auf eine positive Bilanz, was bei einer Eiszeit von fast 16 Minuten durchaus eine Aussagekraft hat. Hinter dem überragenden Jiri Novotny ist er der zweitbeste Bully-Spieler der Leventiner. Kubalik und Kneubühler können in dieser Statistik, wegen einer zu kleinen Stichprobe, nicht berücksichtigt werden. Trotz seinem unermüdlichen Einsatz schien es, als kämpfe Kostner auf etwas verlorenem Posten. So konnte er seine Punkteausbeute gegenüber der vorherigen Saison nicht mehr steigern. In den Playoffs war er bei keinem Tor direkt beteiligt. Kostner hat noch für zwei weitere Jahre einen Vertrag. Was für Kostner gilt, könnte man auch auf Tommaso Goi adaptieren. Er jagt bei jedem Shift gnadenlos der Scheibe nach, kommt aber nur selten da hin, wo er gerne möchte. Trotz mehr Eiszeit als noch ein Jahr zuvor, hat er sein Punktekonto nicht erhöhen können. Zwei Skorerpunkte sind schlicht und einfach zu wenig, auch wenn die Hauptaufgabe der vierten Linie nicht das Toreschiessen ist. Auch seine Bully-Statistik ist mit 44.9% gewonnen Anspielen ungenügend. Zu allem Übel hat er auch noch sehr viele Strafminuten gesammelt. Nun geht es für Goi zusammen mit Kostner in die Slowakei an die WM. Dort wird es für Italien darum gehen, nicht gleich wieder abzusteigen. Hauptgegner in diesem Kampf wird Österreich. Ob Goi nach Ambrì zurückkehrt, ist noch unklar. Sein Vertrag läuft mit dieser Saison aus. Wird er nicht verlängert, wird er wohl auf absehbare Zeit nicht mehr in der National League zu sehen sein.

Marco Müller: Der Center des Paradesturms konnte sich gegenüber dem letzten Jahr noch einmal steigern. Seine Punkteausbeute konnte er um ganze 13 Zähler aufbessern. Durch seinen Wechsel nach Ambrì bekam der ehemalige Bern-Junior endlich die Chance, sich entfalten zu können. Müller dankt es Duca und dem ganzen Team, indem er den Vertrag um drei Jahre bis 2022 verlängert hat. Gerade bei 5-gegen-5 hat er gezeigt, wie wichtig er für das Team ist. Nur Kubalik hat bei Gleichbestand mehr Vorlagen gegeben. Trotz einer weiteren überragenden Saison dürfte er für das Nationalteam, bzw. für die WM, (noch) kein Thema sein. An den «Prospect Games» im Februar machte er seine ersten Spiele in der A-Nationalmannschaft. Früher durchlief er alle U-Nationalmannschaften, wurde aber von Patrick Fischer bisher nicht ins A-Team übernommen, bis eben im Februar. Nun wurde Müller auch auf diese Weise für seinen Durchbruch belohnt. Zum endgültigen Nationalspieler mit einer WM-Teilnahme fehlt wohl noch etwas, vor allem seine Bekanntheit. Dazu gibt es auf der Center-Position natürlich eine grosse Dichte. Mit der Vertragsverlängerung bis 2022 hat er sich entschieden den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Er könnte noch weit gehen.

Jiri Novotny: Im Nachhinein war wohl die Verletzung von Bryan Lerg ein Glücksfall für Ambrì. So bitter es für den US-Amerikaner mit zweifellos grossen Qualitäten war, nur durch seinen Ausfall begab sich Duca auf die Suche nach einem neuen Ausländer. Fündig wurde er in…Pilsen. Wie Kubalik kam auch Jiri Novotny vom Team aus der tschechischen Extraliga. Allerdings hat Novotny inklusive Champions League nur gesamthaft vier Spiele für Pilsen gemacht. Zwar hat Novotny die Erfahrung von fast 200 NHL-Spielen, aber diese liegen zehn Jahre zurück. In der KHL hat er in den letzten Spielzeiten eher abgebaut und in der Nationalmannschaft war er seit 2015 nicht mehr präsent. Dennoch wollte Duca ihn offenbar nach Ambrì holen und der Tscheche liess sich auf das Abenteuer ein. Er sollte es nicht bereuen. Es klappte sofort. Ambrì und Novotny passen, wie die berühmte Faust aufs Auge. Schnell machte er sich zum Liebling der Fans. Mit seinen Aktionen nach einem Sieg erlangte er innert kürzester Zeit Kultstatus und als er sogar aufs Eis humpelte, als er verletzt war, beeindruckte er alle endgültig. Ein Zeichen, wie wichtig er für die Mannschaft auch neben dem Eis ist. Man bekam Bedenken, als er in der entscheidenden Phase verletzt ausfiel, aber mit seiner riesigen Erfahrung nahm er auch in diesen Wochen Einfluss aufs Team. Nach seiner Ankunft in Ambrì hatte er auch auf dem Eis seinen Platz schnell gefunden. Als Center zwischen Hofer und D’Agostini führte er den zweiten Block an. Novotny machte sich zum zweitbesten Bully-Spieler der Liga. Sein Sommer dürfte derweil ziemlich ruhig verlaufen. Sein Vertrag in Ambrì wurde um ein weiteres Jahr verlängert. Mittlerweile ist er mit Kubalik in die Heimat gereist. Er wird zurückkommen. Ob er dann den Vertrag nochmals verlängert, zurück aufs tschechische Eis geht oder seine Karriere gar beendet, wird man sehen. Die WM dürfte mit tschechischen Spielern aus der KHL und der NHL für Novotny kein Thema sein. Er soll sich erholen. Ambrì braucht topfitte Spielertypen, wie es Jiri Novotny ist.

Dominik Kubalik: Über Dominik Kubalik ist schon fast alles gesagt. Schon lange war Ambrì nicht mehr wegen einem einzigen Spieler so sehr in den Schlagzeilen. Ihn zu finden ist eine weitere Meisterleistung von Paolo Duca gewesen. Er dominierte die Liga wie nur wenige Spieler in den letzten Jahren und hinterliess einen bleibenden Eindruck. Sein Weg dürfte in der NHL weitergehen. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, ist es für Ambrì ein bitterer Moment, aber zugleich beweist es, dass man sich auch von Ambrì aus ins Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit spielen kann. Diese (neuerliche) Erkenntnis könnte für die Zukunft von unschätzbarem Wert sein. Auch wenn noch nichts definitiv ist, deutet vieles daraufhin und es wäre Kubalik sehr zu gönnen. Er hat alles, um sich bei den Blackhawks durchzusetzen. Der Chicago-GM Stan Bowman erwartet, dass Kubalik nächste Saison im Kader der Blackhawks stehen wird. Dass dies wahrscheinlich ist, zeigt der Blick auf die Kaderliste von Chicago. Das Team befindet sich nach grossen Erfolgen im Umbruch. Dies sieht man auch daran, dass ein Dominik Kahun letztes Jahr einen Einstiegsvertrag unterschrieben hat und alle bisherigen Spiele der Regular Season absolviert hat. Mit Verlaub und Respekt vor dem Deutschen, an sein Niveau kommt Kubalik heran. Aber eben, Stand jetzt Ende März hat er noch einen Vertrag für ein Jahr in Ambrì und noch nichts ist bestätigt. Seine Wohnung im Tessin hat Kubalik geräumt, aber diese hätte er nach dieser Saison so oder so verlassen, sagt er. Nun geht es zunächst an die WM in die Slowakei, wo er wieder auf die Schweiz und vermutlich Michael Fora treffen wird. Was dann passiert, ist unklar. Auch wenn er nach Chicago geht, bereits 2020 könnte er zurück sein. Es ruft der nächste Lockout. Duca und Cereda müssen sich dann ganz genau überlegen, ob sie Kubalik, wenn er kommen würde, oder einen noch grösseren Star holen.

Das Ambrì-Fieber und seine Nebenwirkungen

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