Bull-etin Zug

Die Leistungen des EV Zug im ersten Drittel der Meisterschaft liefern Stoff für zahlreiche Geschichten und überraschende Erkenntnisse. Besonders erstaunen mag der Mangel einer Eigenschaft, die man bei einem Titelanwärter im Überfluss erwarten dürfte.

Wer einen oberflächlichen Blick auf die Statistiken wirft, dem fällt die unterschiedliche Performance der «Königtransfers» Leonardo Genoni und Grégory Hofmann auf. Auf der einen Seite der fünffache Meistertorhüter, der die schlechteste Fangquote (89.18 Prozent) und den zweitschlechtesten Gegentorschnitt (2.92 Gegentore pro Partie) aller Stammgoalies aufweist. Demgegenüber ist der beste Torschütze der vergangenen Saison auf bestem Weg, nicht nur seine persönliche Bestmarke (30 Treffer in der Saison 2018/19), sondern auch den Schweizer Torschützenrekord des 21. Jahrhunderts zu brechen (Michel Riesen mit 37 Treffern in der Saison 2006/07). Der nicht überzeugende Torhüter und der überragende Topstürmer widerspiegelten den Zuger Saisonstart des offensiven wie defensiven Spektakels, taugen aber nicht mehr als Symbole für die Zuger Entwicklung in den letzten Spielen. Genoni spielt stilsicher und strahlt Ruhe aus, seine Vorderleute treten mehrheitlich nicht mehr wie wilde Hühner, sondern wie ein konzentrierter Abwehrverbund auf. Dafür hatten die Zuger zuletzt insbesondere in den Heimspielen Mühe, Tore zu erzielen.

Die Zuger Offensive war bisher zu abhängig von Grégory Hofmann.
PHOTOPRESS / Salvatore di nolfi

Schwachstelle Special Teams

Diese Entwicklungen hängen nicht etwa mit einer defensiveren Spielausrichtung zusammen, sondern mit einem verbesserten Auftritt in allen drei Zonen bei numerischem Gleichstand. Die Zuger kontrollieren den Puckbesitz umsichtiger, können mehr Zeit in der gegnerischen Zone verbringen, mehr Chancen kreieren und so gleichzeitig das Spielgeschehen vom eigenen Tor fernhalten. Belege für den verbesserten Auftritt bei numerischem Gleichstand finden sich nicht nur in der Corsi-Statistik, sondern auch bei der Strafenbilanz. Der EVZ provoziert so viele Powerplay-Gelegenheiten wie kein anderes Team der Liga (4.59 pro Partie, der Liga-Durchschnitt liegt bei 3.65). Und war die mangelnde Disziplin in der vergangenen Saison die wohl grösste Schwäche der Kolinstädter, so nimmt die Equipe von Dan Tangnes heuer unterdurchschnittlich viele Strafen (mit 3.35 Boxplay-Situationen pro Partie auf Platz 6, letzte Saison mit 3.86 auf Platz 10).

Damit wären wir beim Hauptproblem des EVZ in der bisherigen Saison: Den Special Teams. Wiesen die Zuger in der vergangenen Spielzeit die beste (Powerplay, 21.08 Prozent) respektive zweitbeste (Boxplay, 84.97 Prozent) Erfolgsquote der Liga auf, so sind sie in beiden Kategorien momentan unterdurchschnittlich klassiert, im Powerplay mit einer Erfolgsquote von 17.95 Prozent im zehnten Rang, im Boxplay mit 73.68 Prozent an zweitletzter Stelle.

Selbstvertrauen als fehlendes Puzzle-Stück

Womit kann die Baisse in den Special Teams erklärt werden? Coach Dan Tangnes und Verteidiger Santeri Alatalo führten sie nach der Heimniederlage gegen Fribourg-Gottéron am Freitagabend auch auf das angeknackste Selbstvertrauen zurück. Für den Coach hängt dieses mit dem fehlenden Abschlussglück zusammen: «Selbstvertrauen verdient man sich. Wenn wir gut spielen und die Pucks reingehen, erhältst du Selbstvertrauen. Wenn du nicht effizient bist, kannst du Selbstvertrauen verlieren.» Alatalo monierte, dass die Zuger nach Gegentoren besonders anfällig seien – vor allem dann, wenn sie zuvor ihre eigenen Chancen nicht genutzt hätten. Die defensive Instabilität zu Beginn der Saison, die zuletzt nicht mehr horrende Produktion der Paradeformation um Hofmann, Jan Kovar und Carl Klingberg (respektive zuletzt Lino Martschini) und die Unterform diverser Akteure haben also nicht nur zu durchzogenen Resultaten, sondern auch zu einem angeschlagenen Selbstvertrauen – untypisch für einen Titelanwärter – geführt.

Partie gegen den SCB als Trendwende?

Eine Abweichung von den oben geschilderten Trends hat die letzte Partie gegen den SC Bern dargestellt. Nicht nur erhielten die Zuger keinen Treffer in Unterzahl – vielmehr erzielten sie gleich zwei Shorthander. Mehrmals konnten sie das Glück für sich in Anspruch nehmen, als der Meister nur das Torgehäuse traf. Und schliesslich bewiesen die Zuger nach dem frühen 0:3-Rückstand genau jene Eigenschaft, an die Tangnes am Abend zuvor appelliert hatte: Resilienz. Der EVZ glänzte in Bern nicht spielerisch und leistete sich viele individuelle Fehler, aber er beeindruckte mit seiner Entschlossenheit, seinem Kampfgeist und der Fähigkeit, erfolgreich Widerstand zu leisten und sich nicht unterkriegen zu lassen.

All diese Faktoren können dazu beitragen, dass wir diesen Sieg zu einem späteren Zeitpunkt als Wendepunkt der EVZ-Saison betrachten mögen. Jedenfalls führt der Erfolg beim Meister dazu, dass das Team dringend benötigtes Selbstvertrauen tanken und sich nun in Ruhe auf die anstehenden Partien vorbereiten kann. Die nächsten drei Partien mit Heimspielen gegen den HC Davos und die ZSC Lions sowie einem Gastspiel in Biel können darüber Aufschluss geben, ob der EVZ den Anschluss zu den Topteams hergestellt haben wird.

Statistiken sprechen für den EVZ – doch wie stark ist das Team wirklich?

Für Optimismus sorgen dürfen die zuletzt aufsteigende Formkurve bei numerischem Gleichstand und die Tatsache, dass viele momentan deutlich negative statistische Werte kaum anhalten werden. Einige Beispiele hierfür: Die kombinierte Erfolgsquote der Special Teams wird sich – den mathematischen Wahrscheinlichkeitsgesetzen folgend – zunehmend der Marke von 100 Prozent annähern, Genonis Leistungskurve wird weiter nach oben zeigen, Oscar Lindbergs Schussquote (5.08 Prozent) dürfte sich ihrem Normalwert annähern und so die offensive Feuerkraft erhöhen – zumal der Schwede mit 4.21 Schüssen pro Partie ligaweit am häufigsten in den Abschluss geht.

Das Powerplay verfügt noch über deutliches Steigerungspotential.
PHOTOPRESS / Urs Flüeler

Es gibt folglich genügend Gründe, um anzunehmen, dass die Zuger in den nächsten Wochen im Klassement nach oben klettern werden. Gemessen am Potential der Mannschaft dürfte die Spitze das Limit sein – vorausgesetzt, es gelingt dem Coaching Staff, seinen Schützlingen Selbstvertrauen einzuimpfen und die Special Teams bald auf die Erfolgsspur zu führen. Daneben drängen sich weitere Fragen auf: Wie gut kann das Powerplay der Zuger sein? Mit Kovar, Hofmann, Martschini und Raphael Diaz verfügen die Zuger über einen Reichtum an Spielmacher- und Abschlussqualitäten und Kovar ermöglicht mehr Flexibilität beim Bezug und Rotieren der Positionen, doch konnte die erste Formation den Verdacht bisher nicht aus der Welt räumen, dass Dennis Everberg mit seiner überragender Präsenz vor und um das Tor herum nicht ersetzt werden konnte. Könnte allenfalls Klingberg diesen wichtigen Part in der ersten Powerplay-Formation einnehmen? Im Hinblick auf das Boxplay, das Spiel ohne Puckbesitz und den Spielaufbau ist die Entwicklung einzelner Verteidiger zentral. Kann Santeri Alatalo zu seinen Bestleistungen der Vorsaison zurückfinden? Kann Tangnes dem zuletzt überzähligen Thomas Thiry beim Aufbau des Selbstvertrauens helfen, damit der Franzose die Möglichkeit erhält, Konstanz in sein Spiel zu bringen? Wann entwickelt sich Miro Zryd zu einem defensiv zuverlässigen Verteidiger, der sein Potential regelmässig ausschöpft?

Solche Fragen verdienen in den kommenden Wochen und Monaten eine genaue Betrachtung – nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche Retuschen des Zuger Kaders für die kommende Saison.

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