NHL Observer

Vor einigen Wochen wurde Ralph Krueger von den Buffalo Sabres als Headcoach entlassen. Die Kommentare in den Medien in Nordamerika bezüglich seines Leistungsnachweises waren vernichtend. Und zum Teil auch etwas verstörend. Es zeigte sich einmal mehr, dass Ralph Krueger zwar unter Experten als absoluter Fachmann gilt, aber längst nicht bei einem grossen Anteil so genannter Experten...

Das war's dann wohl für Ralph Krueger in der NHL: Ralph Kruegers zweites NHL-Abenteuer findet ein jähes, aber dennoch absehbares Ende. Nach einer Serie von knapp einem Dutzend Niederlagen in Folge war seine Entlassung im März 2021 unumgänglich. Und die teilweise hämischen Kommentare bei den Analysten in Nordamerika hierzu sinnbildlich für seinen Status, den der Deutschkanadier mit Schweizer Wohnsitz und Pass in der NHL hatte: Trotz seiner vielen Erfolge als Eishockeytrainer wurde er kurioserweise von „Experten“ wiederholt als Soccer Coach und Quereinsteiger bezeichnet. Und das nur, weil der ehemalige Erfolgstrainer der Schweizer Nationalmannschaft einige Jahre Vorstandsvorsitzender des FC Southampton war.

Internationale Erfolge werden gerne ausgeblendet

Gerne wird in Nordamerikas «Expertenblase“ vergessen, wie er als Cheftrainer der Schweiz wiederholt Kanada und andere Weltklasse-Nationalteams an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen schlug. Auch geht offenbar immer wieder unter, dass Krueger, der seine ersten Erfolge als Cheftrainer beim VEU Feldkirch feierte, ja schon einmal in der NHL als Assistenz- und später als Cheftrainer der Edmonton Oilers amtierte. Sein nordamerikanisches Meisterstück lieferte er im Spätsommer 2016, als er Team Europa beim World Cup of Hockey sensationell ins Finale coachte. Die Mannschaft bestand aus europäischen Spielern – vornehmlich aus der Schweiz, Deutschland, der Slowakei und anderen Nationen. Aber ohne jene aus Russland, Tschechien, Finnland und Schweden, welche eigene Nationalteams stellten. Die Finalspiele gegen Kanada waren zwei enge Kisten. Krueger erntete viel Applaus.

Wer es in der NHL nicht schafft, gilt als Loser...

Und dann kam die Berufung 2019 als neuer Buffalo Sabres Coach. Anfänglich begleitet von Erfolg. Immerhin schaffte man 2019/20 nach sensationellem Start und einer massiven Resultatkrise einige Wochen vor dem Covid-Saisonabbruch eine 30/31/8 Bilanz und verpasste die Bubble-Playoffs nur knapp. Aber es wurde deutlich, dass der Leistungsabfall innerhalb des Kaders riesig ist. Trotz Stars und hohen Draftpicks aus den letzten Jahren wie Jack Eichel, Casey Mittelstadt, Victor Olofsson und Rasmus Dahlin (oder auch Curtis Lazar aus einem Trade) oder gestandenen Cracks wie Rasmus Ristolainen, Sam Reinhard, Eric Staal (mittlerweile bei den Canadiens de Montréal), Colin Miller, Cody Eakin, Kyle Okposo, Jeff Skinner und vor allem der erst neu zum Team gestossene Taylor Hall (mittlerweile auch wieder weg getradet – zu den Boston Bruins) waren die Leistungen geprägt von fehlender Konstanz. Besonders bedenklich waren die Plus-/Minus-Auswertungen 2021, wenn die besten Sturmtrios und Verteidigerduos der Sabres gegen die vermeintlich Besten der Gegner auf dem Eis standen.

Ralph Krueger konnte die Negativtendenz nie stoppen und die Erwartungen an die neuen Teamleader und nunmehr bereits wieder abgewanderten Taylor Hall und Eric Staal wurden nicht erfüllt. Dabei hatte Hall seinen Entscheid für Buffalo im Sommer 2020 explizit auch deshalb getroffen, weil sein Ex-Coach aus ehemaligen Oilers-Tagen bei den Sabres am Ruder war. In den letzten Tagen haben Insider auch davon gesprochen, dass auch einige Spieler den 61-Jährigen desavouiert haben sollen. Das ist kein Novum bei den Sabres, ist dies doch auch schon seinen Vorgängern Dan Bylsma und Phil Housley passiert. Unter anderem war damals auch Jack Eichel einer der „Rädelsführer“. Es bleibt in dieser ganzen Angelegenheit aber auch eines hängen: In Nordamerika reicht es nicht, mal ein erfolgreicher Nationaltrainer gewesen zu sein – man muss in der NHL Erfolge vorweisen, um als Cheftrainer den nötigen Respekt und die Kredibilität zu erlangen.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch beim Slapshot sowie beim Top Hockey und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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