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Die Seattle Kraken, die Arizona Coyotes, die Ottawa Senators und die Montréal Canadiens – vier Clubs, die bereits jetzt Anfang des Jahres nicht mehr mit einer Playoff-Teilnahme 2022 planen. Aber nicht alle gehen gleich mit der Situation um. Was aber bei allen vier ganz oben auf der Wunschliste 2022 steht ist die grosse Hoffnung auf die Chance, einen der designierten Nummer Eins- bis Drei-Draftpicks 2022 an sich binden zu können.

Wir sind uns einig, dass seit der Ausbreitung der Covid-Pandemie 2020 alle Sportclubs weltweit auch 2021/22 wieder von einer ungewöhnlichen Saison sprechen. Was aber die Canadiens de Montréal aktuell durchmachen, ist wirklich nur noch mit dem Begriff Murphy's Law zu umschreiben. Während in Montréal der Umgang mit einer sportlich missratenen Saison traditionell aufgrund der Erwartungshaltung der Community und der Fans eher schwierig ist und ein klassischer Wiederaufbau über Jahre kaum Akzeptanz geniesst, ist diese Herausforderung bei anderen Clubs, die sich Playoff-Chancen bereits jetzt im Januar abschminken können, niederschwelliger.

Coyotes als ständige Baustelle - Kraken im Hybridmodus

So werden die Ottawa Senators ihre Reconstruction einfach um ein oder zwei Jahre weiterführen und die Arizona Coyotes weiterhin eine ständige Baustelle bleiben, wenn es um das Teambuilding geht. Nach dem Weggang von Oliver Ekman-Larsson und weiteren strategischen Abgängen von Leistungsträgern in den letzten Jahren bieten nun einige Clubs interessante Deals für den nächsten Leistungsträger an, namentlich Jakob Chychrun. In Arizona besteht der Erfolgsdruck in der Regel nur im sportlichen Umfeld (wenn auch die Misserfolge sich bei den Zuschauerzahlen widerspiegeln). In Ottawa indessen – so wie natürlich auch in Montréal – dieser sowohl in der Eishockeygemeinschaft wie auch in der Bevölkerung besteht. In Seattle wiederum kann man von einer hybriden Erwartungshaltung sprechen. Bedeutet also, dass man als Expansionsteam nicht bereits jetzt den Anspruch hat, weit in die Stanley-Cup-Playoffs vorzudringen. Das Beispiel der Las Vegas Golden Knights 2017/18 war da eher die Ausnahme unter allen bisherigen Expansionsteams der NHL-Neuzeit. Der Plan der Kraken-Verantwortlichen ist klar: Stufenweises Teambuilding, welches auch über die Drafts der nächsten Jahre geht.

Draft 2022 – Fehlgriff ein No-Go für die Habs

Eine spezielle Ausgangslage entsteht in Montréal: Denn besonders die Canadiens haben die wohl im sportlichen Sinne ungewöhnlichste Saison seit 1995, als im Zuge der Patrick Roy-Polemik und dessen Abschied im Streit mitten in der Saison ein House Cleaning bei den Habs folgte. Viele in Montréal sprechen heuer von einem „annus horribilis“ (ein „schreckliches Jahr“). Einige andere Parallelen zu damals: Das Rückgrat des Teams – der Goalie und der Captain (1995 war das Mike Keane) – stehen der Mannschaft nicht zur Verfügung - wenn auch aus ganz anderen Gründen. Und: Montréal hatte zwei Jahre zuvor 1993 noch den Stanley Cup gewonnen, während diesmal die Habs 2021 bekanntlich bis in den Stanley-Cup-Final vordrangen, also ebenfalls noch der Eindruck von erfolgreichen Playoffs nachwirkt. 1995/96 aber qualifizierte man sich relativ souverän für die Playoffs und es gab keine Verletzungswelle, keine Time Outs wichtiger Leistungsträger wegen mentalen Problemen und auch keine Covid-Ausfälle. Wie also sollen die Habs mit der aktuellen Situation umgehen? Ein (fast) kompletter Wiederaufbau nach dem Muster der New York Rangers 2018 und 2019 (übrigens damals initiiert vom aktuellen neuen starken Mann bei der sportlichen Führung der Habs, Jeff Gorton) ist in Montréal - im historischen Kernland des Eishockeysports - schwierig zu verkaufen. Aber nicht unmöglich, wenn tatsächlich endlich mal wieder ein Top-Draftpick gelingt, der auch zu einem NHL-Superstar reift. Das könnte ausgerechnet beim 2022 in Montreal ausgetragenen Draft-Event gelingen, sollte man beispielsweise Shane Wright von den Kingston Frontenacs (OHL) draften. Auch wenn dies alles ein Jahr zu früh passiert, denn das Supertalent Connor Bedard (16) ist erst 2023 zum Draft zugelassen.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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