NHL Observer

Der Draft: Es ist das grosse Trostpflaster für jeden NHL-Club, der eine sportlich unbefriedigende, ja sogar schlechte Saison erdulden muss. Und auch heuer freuen sich Clubs ohne Playoff-Ambitionen bereits auf den Draft am 7. und 8. Juli 2022, der im Centre Bell in Montréal stattfinden wird. Aber die Sache hat diesmal einen Haken...

Es war bereits in diesem Blog zu lesen: Für einige NHL-Clubs hat schon zum Jahresbeginn aufgrund der sportlichen Situation und Aussichtslosigkeit auf die Playoffs 2022 die Planung für die nächste Saison eingesetzt. Und ein besonderes Augenmerk gilt jetzt auch den Draftpicks. Für die betroffenen Teams jedoch kommt diese Situation eigentlich ein Jahr zu früh, denn die Fachleute sind sich in einem Punkt einig: Erst im Draft 2023 werden in der ersten Runde die vermeintlichen Jahrzehnt-Talente zur Verfügung stehen.

Guter Jahrgang 2022 – aber jener von 2023 ist sogar noch besser...

Kein Zweifel - wer einen Shane Wright im Draft 2022 an sich binden kann, darf sich glücklich schätzen. Denn der Center wird mittelfristig wohl sicherlich ein guter Center in der NHL werden. Besonders Teams wie die Canadiens de Montréal würden sich die Finger lecken, wenn sie neben Nick Suzuki und Ryan Poehling einen weiteren hochtalentierten jungen Center in ihrer Organisation hätten. Junge Center sind begehrt. Auch Jack Hughes (übrigens der Sohn des neuen Montréal-GM Kent Hughes – eine kleine pikante Anekdote), Matthew Savoie oder Brad Lambert sind sehr gute Picks. Aber keiner dieser Top-Spieler hat die Aura oder weckt solche kühnen Erwartungen wie jene designierten Erstrunden-Draftpicks 2023. Da wird der Hype um Connor Bedard nämlich enorm sein, weil dieser als das grosse Talent des Jahrzehnts gehandelt wird. Der kaum erst 16-jährige Center gilt als „The Next Big Deal“ und wird bezüglich Talent im gleichen Atemzug wie Connor McDavid genannt. Bei der wegen zu vielen Coronafällen und Spielverschiebungen abgebrochenen Junioren-Weltmeisterschaft im Januar 2022 zeigte er bereits, warum man ihm diesen Ausnahmestatus zugesteht. Apropos Ausnahmestatus: Bedard spielte schon mit 15 Jahren in Schweden bei HV71 auf U-18-Ebene und schien sogar unterfordert gewesen zu sein. Die Folge: Aufstieg in die U-20 Mannschaft! Auch dort konnte er mithalten. Danach folgte der Weg in die WHL. Nach 15 Spielen war er einer der besten Spieler der Liga und mit einem Punkteschnitt von 1,87 pro Spiel der Zweitbeste in diesem Bereich. Und das - notabene - gegen ältere Spieler, die unter anderem bereits von einem NHL-Team gedraftet worden waren.

Aber auch bei anderen Ausnahmetalenten, die 2023 in der ersten Runde gedraftet werden dürften, schlägt der Puls der Chefscouts höher: Matvei Michkov wird in Russland schon mit Kucherov verglichen. Besonders aber Center stehen hoch im Kurs: Neben Connor Bedard schwärmen Fachleute zum Beispiel auch von Adam Fantilli, Connor Lewis, Otto Stenberg und Riley Heidt. Und von Verteidigern wie Braden Yager, Theo Lindstein, Artu Karki oder Hunter Burzstewicz.

Natürlich könne man nie eine abschliessende Wertung der Qualität eines Draftjahres machen, sagen auch die erwiesensten Experten in der NHL. Oft genug sei man überrascht, wenn Erwartungen übertroffen würden oder auch, wenn erstaunlich viele Draftpicks aus der zweiten bis gar sechsten und siebten Runde den NHL-Durchbruch schaffen. Dennoch sei es aber in der absoluten Spitze (Top-Picks der ersten Runde) erkennbar, wenn sich ein herausragender Jahrgang abzeichnet. Und das sei wohl, da sind sich alle einig, 2023 der Fall. Die fünf bis zehn Glücklichen, welche im 2022 zuerst draften dürfen, werden sich über einen Hochtalentierten in ihrer Organisation freuen, wären aber vielleicht lieber 2023 in dieser Position gewesen.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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