NHL Observer

Das Engagement der NHL-Teams in den sozialen Medien ist exponentiell gestiegen. Und auch jenes der Eishockeyprofis. Man will – nach Jahren einer eher abschottenden Haltung gegenüber den Fans – diesen mehr Einblick hinter die Kulissen als NHL-Community vermitteln. Aber (zu) oft mutieren die Posts zu Eigentoren und der Boomerang kommt zurück in Form eines Shitstorms. Wie zuletzt auch bei Carey Price.

Es geht bei Social Media im Sportbusiness ja in erster Linie darum, eine Interaktion zu den Fans aufzubauen und auch die jüngeren Zielgruppen mit ins Boot zu nehmen. Und um eine zusätzliche Präsenz-Plattform für die Vermarkter und Sponsoren. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit und um die Neujahrs-Feiertage wird die Aktivität bei den Clubs und deren Spielern stark zunehmen.

Viele Spieler oder Clubs erreichen ihre Kommunikations- und Marketingziele über Social Media teilweise und holen sich so eine erweiterte Zielgruppe ins Boot. Aber manchmal geht es auch richtig schief. Besonders dann, wenn heikle Themen ohne Absprache mit dem Arbeitgeber kommuniziert werden. So hat Carey Price vor zwei Wochen einen inhaltlich kontroversen Post auf seinen sozialen Netzwerken (in erster Linie auf Instagram) publiziert. Der aktuell auf der Langzeitverletztenliste stehende Superstar der Canadiens de Montréal posierte mit einem Jagdgewehr und sprach sich aus für das Recht eine Waffe besitzen und in gewissen Fällen nutzen zu dürfen (zum Beispiel zum Eigenschutz und für die Jagd). Ausserdem kritisierte er die jüngsten Bemühungen der kanadischen Regierung, ihre Liste verbotener Schusswaffen zu erweitern.

Mieses Timing kann zum Boomerang werden

Nicht nur der Inhalt war streitbar, sondern auch das Timing: So musste sich Carey Price für den Zeitpunkt des Social-Media-Beitrags entschuldigen, denn er hatte sich in die politisch heikle Debatte über die Waffenkontrolle eingemischt. Und das, just gerade als sich in der Heimatstadt seines Teams eine der schlimmsten Massenschiessereien in der kanadischen Geschichte jähren sollte (am 6. Dezember 1989 wurden an der École Polytechnique 14 Personen bei einem Amoklauf erschossen und 14 weitere schwer verletzt). Aber er entschuldigte sich nicht für das, was er sagte. Dieser Fall erhitzte in Kanada die Gemüter.

Die letzten grossen Skandale waren unbestritten jene um die tatsächlichen und vermeintlichen sexuellen Belästigungen durch NHL-Spieler und natürlich der grosse Shitstorm über Alexander Ovechkin: Denn dieser hat seit Beginn des Ukraine-Krieges ein Glaubwürdigkeitsproblem. Er spricht sich zwar klar gegen kriegerische Auseinandersetzungen aus. Aber sein in den letzten Jahren zelebriertes freundschaftliches Verhältnis zu Vladimir Putin sorgte vor einigen Monaten für einen gehörigen Shitstorm. Alex Ovechkin generiert 1,6 Millionen Follower auf Instagram oder 2,5 Millionen auf Twitter. Nachvollziehbar, dass sich der in Russland wie ein Popstar gefeierte „Ovi“, nicht mit Äusserungen und gezielter Kritik gegen sein Land ins Abseits manövrieren möchte. Aber: „Ovi 8“ hat das Profilbild auf Insta, das ihn stolz an der Seite von Freund Putin zeigt, nicht ausgewechselt. Am deutlichsten äusserte sich NHL-Legende Dominik Hasek: «Jeder Erwachsene in Europa weiss genau, dass Putin ein wahnsinniger Killer ist. Zu sagen, dass er sich hilflos fühlt, ist ein unaufrichtiger Versuch, seine Bedeutung und seinen Einfluss herunterzuspielen».

Der Medienäquivalenzwert eines Posts

Nicht jeder Post auf Social Media hat den gleichen Medienäquivalenzwert. Das heisst, wenn beispielsweise die Arizona Coyotes etwas posten, hat dies nicht den gleichen Werbe- oder Medienwert wie ein ähnlicher Post von den Toronto Maple Leafs, Chicago Blackhawks oder den Canadiens de Montréal. Warum ist das so? Es geht um die Reichweite des Zielpublikums und auch deren Affinität zum Thema Eishockey sowie um die Interaktion des Netzwerkes der anvisierten Zielgruppe(n). Dass die Toronto Maple Leafs, Boston Bruins, Chicago Blackhawks, Canadiens de Montréal oder auch die New York Rangers einen sehr hohen Social Media-Medienäquivalenzwert haben, erstaunt nicht. Sehr erfreulich und überraschend ist jedoch die Entwicklung bei den Carolina Hurricanes. Diese haben ihren Medien- und Werbewert in den sozialen Medien in den letzten drei Jahren um ein Vielfaches steigern können und gehören sozusagen zu den innovativen Social-Media-Stars unter den NHL-Teams. Mehr zur Erfolgsstory der Canes findet ihr hier.

Aktiv am Storytelling mitbeteiligen

Womit und mit welchen Kommunikationsinhalten punkten die NHL-Teams bei den Fans und Sponsoren? Zunächst geht es darum, dass die sozialen Medien nur dann wirklich effizient sind, wenn keine eindimensionale Kommunikation entsteht. Man muss also die Rezipientinnen und Rezipienten inhaltlich mit ins Boot holen. Das kann über Einblicke in das Innenleben der Clubs oder Spieler, über Aktionen oder auch Abstimmungen zu relevanten Fragen gehen. Viele schaffen auf Instagram, Twitter, Youtube & Co. zudem auch einen Spannungsbogen zu einem finalen Kommunikationsziel und erzeugen eine Spannung und Vorfreude – beispielsweise auf eine Show oder eine Aktion im Stadion. Auch das sogenannte Storytelling ist beliebt. In Zeiten, wo Social Distancing alle Bereiche erfasst hatte, waren gute, authentische und personalisierte Geschichten umso wichtiger und wurden geschätzt, weil Social Closeness erwirkt wurde. Storytelling ist als Marketing- und PR-Instrument dann effizient, wenn das Erzeugen von Aufmerksamkeit oder emotionalen Bindungen funktioniert. Wenn man dieses Kommunikations-Stilmittel intensiv auf allen bespielbaren Kanälen nutzt, macht sich dies sofort bemerkbar.

Social-Media-Engagement - Zahlen lügen nicht

Ein Blick auf die Aktivitäten der NHL-Clubs zeigt, dass die Chicago Blackhawks klar Spitzenreiter sind bei der Gesamtzahl Follower auf Youtube, Instagram und Twitter. Diese drei sozialen Netzwerke sind in Nordamerika die grossen Reichweiten-Treiber. Facebook scheint nicht mehr so populär zu sein bei den meisten NHL-Zielgruppen - Linkedin läuft unter „Business Netzwerk“. Die Hawks vereinen auf diesen drei Kanälen über 6,56 Millionen Follower. Gefolgt von den Pittsburgh Penguins mit 5,53 Mio. und Boston mit knapp fünf Millionen. Danach folgen Toronto (4,5 Mio.) und Montréal, die Rangers aus New York und Detroit (jeweils knapp 4 Mio.). Am wenigsten Follower hat derzeit noch das Expansionsteam Seattle, wobei die 617'200 Follower auch schon eine stattliche Zahl sind. Ebenfalls unter einer Million Follower haben dann nur noch die Florida Panthers und die Arizona Coyotes. Viele Teams bewegen sich um den Bereich zwischen 1,5 bis 2,5 Millionen Follower.

Was interessant ist: Wie aktiv sind die Teams in der Verbreitung ihrer Inhalte und wie sind die Reaktionen? Diese Aspekte bestimmen oft unter anderem auch den oben thematisierten Medienwert. In der Summe der Posts sind die Colorado Avalanche Spitzenreiter mit nahezu 26'300 Posts pro Saison (Twitter ist dabei eindeutig das präferierte Kommunikationsmittel). Was die Engagement Range betrifft beziehungsweise die „Average Cross-Platform Engagement“, so sind die Toronto Maple Leafs mit durchschnittlich über 4’500 Reaktionen/Interaktionen pro Post einsame Spitze, gefolgt von der Community der Boston Bruins und jener der Pittsburgh Penguins. In der Summe der Engagements im Total thronen die Pens auf Platz Eins mit fast 18,5 Millionen Reaktionen. Weitaus weniger reagieren jeweils auf die Posts der Ottawa Senators und Minnesota Wild, aber... diese gehören zusammen mit den Carolina Hurricanes zu jenen mit der grössten Engagement-Steigerung in den letzten Jahren. Die Gründe: Ein interessanter, lustiger und vor allem zielgruppenorientierter Content und tiefere Einblicke in den Alltag der Spieler, Staff sowie im Club involvierten Personen.

Bei den Spielern ist seit Jahren P.K. Subban der „King of Content und Engagement“ in den sozialen Medien aufgrund seiner sozialen und gesellschaftlichen Engagements, der interessanten und unterhaltsamen Inhalte sowie seines Mode-Labels. Subban bindet zudem auch seine Netzwerke optimal ein bei den Posts und profitiert von einem gewissen Promi-Faktor - auch aufgrund der langjährigen Beziehung mit seiner Ex-Verlobten Lindsey Vonn. Er wurde auch von der NHLPA zum Spieler mit dem höchsten Social-Media-Mehrwert gewählt.

Die Erfolgsstory der „Bunch of Jerks“

Eine Social-Media-Erfolgsstory schrieben ausgerechnet die Carolina Hurricanes – einst die „grauen Mäuse“ der Liga im NHL-Niemandsland – sorgen seit etwa drei Jahren für Stimmung in den sozialen Medien. Die Videos mit den choreografierten, kollektiven und flashmobartigen Jubelszenen der Carolina-Hurricanes-Spieler gingen und gehen noch immer viral. Den Fans gefällt es und es hat tatsächlich die Canes wieder attraktiv gemacht für ein junges Publikum, das in der Region Raleigh eher anderen Sportarten zugewandt ist. Die PNC Arena war zuvor ein eher trister Ort mit vielen leeren Plätzen und mit überschaubarer Stimmung. Doch jetzt ist das PNC Center „the place to be“ für Sportfans in der Grossregion Raleigh. Die Diskussion um die Jubelszenen gefällt den Canes. Der streitbare und schillernde und dennoch sehr konservativ denkende Don Cherry beispielsweise kritisierte einst heftig das Verhalten der Spieler und nannte sie eine „Bunch of Jerks“ (Bande von Idioten). Die Canes reagierten mit Humor, nannten sich gleich selbst so und machten die Aussage zu einem eigenen Claim. Mit durchschlagendem Marketing- und Merchandising-Erfolg – auch dank Social Media.

Natürlich spielt der sportliche Erfolg des jungen und sympathischen Teams eine Rolle. Aber ein grosser Verdienst für das Entfachen der neuen Liebe für die Canes bei neuen Zielgruppen, beziehungsweise auch für die Erweiterung der existierenden Anspruchsgruppe, gebührt der Marketingabteilung und dem Social-Media-Konzept. Das in Carolina vor rund zwei Jahren neu überdachte Arena-Marketing von Matt Sutor und Crystal Pace zeigt Wirkung: Die Fanbasis wurde nicht verscheucht und gleichzeitig wurden neue, vornehmlich jüngere Zuschauer und Familien erreicht. Der Identifikationsfaktor ist gestiegen und mit absolut gelungenen Aktionen wie die „Whalers Night“ konnte man Begeisterung entfachen und auch das eigene Merchandising pushen.

Das passiert in einem Markt, wo Eishockey zu den Nischensportarten gehört und das NHL-Team lange keine besonderen Emotionen weckte. Wenn in Montréal oder Toronto ähnliche Marketing-Aktionen wie bei den Canes geplant wären, würde man die Stirn runzeln. Gleiches gilt für manche Inhalte auf Social Media. Das hat nicht nur mit einem eher klassischen Verständnis von Eishockeyerlebnis zu tun. In den klassischen NHL-Märkten kommen die meisten Fans vorwiegend wegen des Eishockeys ins Stadion. Dennoch ist man auch in den traditionellen Eishockeymärkten darauf bedacht, den Showeffekt zu steigern. Anders ist es in Carolina oder beispielsweise in Las Vegas, wo der Besuch eines NHL-Spiels mit einer anderen Erwartung verknüpft ist. Eine NHL-Partie hat dort den Charakter eines Events mit Showeinlagen und Entertainment.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.