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Connor Bedard ist das vielleicht grösste Talent seit Connor McDavid und Sidney Crosby. Ihn zu draften, würde für jeden NHL-Club die sportlich-strategische Ausrichtung der kommenden Jahre beeinflussen. Nachdem Bedard nun an der U20-Weltmeisterschaft so brillierte, fragen sich einige Clubs, wie man sich in die Top-Position bei der Draft-Lotterie manövrieren könnte.

Wenn es noch letzte Zweifel gegeben hätte, dass Connor Bedard alle Voraussetzungen erfüllt, der „Next Great One“ zu werden, wurden diese an der U20-Weltmeisterschaft 2022/23 aus dem Weg geräumt. Noch nicht einmal 18 Jahre jung hat Bedard spielerisch an der Weltmeisterschaft die Duftmarken gesetzt, obwohl er der jüngste Spieler war und eigentlich noch in einem Entwicklungsprozess steckt. Besonders bezüglich Taktik und Physis. Das macht ihn nur noch begehrenswerter für alle Teams, die sich in einer sportlichen Neuorientierung befinden.

Wahrscheinlichkeit zwischen 12,5 und 20 Prozent

Derzeit haben die Chicago Blackhawks, Columbus Blue Jackets und die Anaheim Ducks die besten Chancen, den ersten Draftpick overall zu erhalten. Im Zusammenhang mit der Draft-Lotterie spricht man hierbei von einer Wahrscheinlichkeit von rund 20 bis 25 Prozent für den Letztplatzierten und von 15 bis 20 Prozent für die Zweit-, Dritt- und Viertletzten. Zuletzt haben die New York Rangers 2020 (Alexis Lafrenière) und die New Jersey Devils 2019 (Jack Hughes) die Draft-Lotterie als „Nicht-Letzte“ und mit weniger als 15 Prozent Wahrscheinlichkeit gewonnen.

Geht der Masterplan der Hawks auf?

Bei den Hawks würde ein von langer Hand vorbereiteter Plan aufgehen, der bereits schon 2006 (Jonathan Toews) und 2007 (Patrick Kane) aufging. Chicago machte schon während der Draftshow in Montréal 2022 in einem Dreier-Trade klar, wohin der Weg gehen soll: Montréal erwarb von Chicago Kirby Dach, indem zuerst Alexander Romanov (ein Wunschkandidat der New York Islanders) und der 98. Draftpick im Austausch gegen den 13. Draftpick an die Isles gingen. Die Habs tauschten dann diesen Pick und ihren 66. Draftpick mit Chicago gegen Dach. Die Blackhawks ihrerseits wollten nach Kevin Korchinski unbedingt auch Frank Nazar draften, was sie schliesslich mit dem 13. Draftpick auch taten. Gleichzeitig wurde der sportlich unmittelbar grosse Verlust von Alex DeBrincat (Trade zu den Ottawa Senators) mit Hinblick auf die Zukunftspläne in Kauf genommen. Und so findet man sich aktuell auf den letzten Plätzen wieder und hat so die Chancen auf Connor Bedard merklich erhöht.

Für Bedard-Draftrecht sogar unkonventionelle Methoden denkbar?

Viele Fachleute haben aber deutlich gemacht, dass Connor Bedard ein Typ Spieler sei, der jeder Mannschaft gut zu Gesicht stehen würde. Ausgebildet als Center, ist er auch (und vor allem) am rechten Flügel ein Top-Playmaker. Genau einen solchen Spieler brauchen auch die Anaheim Ducks. Da ist bereits ein anderer U20-Weltmeister (Mason McTavish) der Topcenter und das junge Team um McTavish und Trevor Zegras wäre mit Bedard die Mannschaft der Zukunft. Andere Clubs ohne Playoff-Ambitionen könnten zur Trade Deadline sich strategisch auf den Draft 2023 ausrichten und ihre Topstars für Draftpicks traden, um sich in bester Position zu bringen für den begehrtesten Nummer Eins-Draftpick seit rund zwei Jahrzehnten.

Eher unwahrscheinlich, aber dennoch möglich: Sollte sich ein Top-Team, das im Draft 2023 eher später draften darf, unter allen Umständen Connor Bedard sichern wollen, besteht auch die unkonventionelle Möglichkeit, die Draftreihenfolge zu tauschen und im Gegenangebot einen oder zwei Superstars anzubieten. Man darf gespannt sein, wie der Hype um Connor Bedard ausgehen wird. Was jedoch klar ist: Noch nie war es so attraktiv, das letztplatzierte Team oder eine der letztplatzierten Mannschaften in der Abschlusstabelle der Regular Season zu sein. Auch wenn kein NHL-Club beziehungsweise -Spieler sich jemals darauf einlassen würde, „absichtlich“ zu verlieren.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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