Das Ambrì-Fieber und seine Nebenwirkungen

Vor rund einem Monat hat Ambrì den Klassenerhalt geschafft. Zeit zum Feiern oder Ferienmachen bleibt allerdings vor allem für die Führungsriege keine. Viele Punkte sind zu klären. Dieser Blog fasst die Wichtigsten zusammen und bildet so gleichzeitig die Grundlage für spätere, tiefer gehende Blogs. Genauere Informationen sickern erst so langsam durch, deswegen sind auch viel Spekulation und eigene Meinungen hier enthalten. Der Versuch einer Übersicht.

Von Fabiano Wey

{sitelinkxoff}1) Endlich wieder ein Schweizer Trainer.
Fakten wurden am 28. April bezüglich des zukünftigen Trainers geschaffen und alle Spekulationen beendet. Der Vertrag mit Gordie Dwyer, der erst am 31. Januar Hans Kossmann beerbte, wurde nicht verlängert. Dafür unterzeichnete Luca Cereda einen Kontrakt. Der erst 36-jährige Cereda spielte selbst vier Saisons für HC Ambrì-Piotta, musste aber seine Karriere wegen gesundheitlicher Probleme früh beenden. Vergangene Saison machte er einen guten Job an der Bande der HCB Ticino Rockets in der NLB. Vorher war er im Nachwuchsbereich von Ambrì tätig und/oder war Assistenztrainer von Schweizer Nationalmannschaften unterschiedlicher Stufen. Nun also der Aufstieg auf die ganz grosse nationale Bühne. Cereda ist der erste gebürtige Schweizer Trainer an der Bande des HC Ambrì-Piotta seit Roland von Mentlen vor 29 Jahren.

2) Rücktritte und ein neuer Sportchef.

Der Ligaerhalt in Langenthal war erst gerade geschafft, da sickerten bereits die ersten Meldungen über Rücktritte mehrerer Spieler durch. Bereits auf dem Eis war klar gewesen, dass Paolo Duca seine Karriere beenden würde. Sein Abklatschen mit den Teamkollegen an der blauen Linie sah, im Nachhinein betrachtet, nicht nur vermeintlich wie eine Verabschiedung aus. Allerdings war es nur eine als Teamkollege auf dem Eis. Viele riefen nach dem Abgang von Sportchef Ivano Zanatta das Ambrì-Urgestein als neuen «direttore sportivo» aus. Fünf Tage nach dem geschafften Ligaerhalt wurde das Gerücht bestätigt und Duca zum neuen Sportchef ernannt.

Duca ist nicht der Einzige, der in Langenthal sein letztes Spiel bestritten hat. Auch Mark Bastl und Oliver Kamber haben ihre Schlittschuhe an den berühmten Nagel gehängt. Bastl wird Trainer im Nachwuchs der GCK Lions. Was Kamber machen wird, war bisher nicht zu erfahren. Kurzfristig schwirrte auch das Gerücht eines möglichen Rücktritts von Peter Guggisberg durch die Valascia. Seither war aber nichts mehr darüber zu lesen und zu hören. Da er noch ein weiteres Jahr unter Vertrag steht, ist davon auszugehen, dass er auch nächste Saison das Biancoblù-Leibchen tragen wird.

3) Ausländer – Einmal tauschen bitte oder doch nicht?
Momentan stehen die Biancoblù noch ohne einen einzigen Ausländer für die kommende Saison da. Mikko Mäenpää verlässt den Klub nach zwei Jahren. Der Finne war insgesamt gesehen nicht die erhoffte Lebensversicherung in der Defensive. Offensiv bewies er immer wieder, welch harten Slapshot er hat. Aber gerade in seiner eigentlichen Kernkompetenz, der Defensive, unterliefen ihm immer wieder unerklärliche Fehler im Spielaufbau, was zu ärgerlichen Gegentoren und Niederlagen führte.

Auch die anderen vier Ausländer haben keine gültigen Verträge für die kommende Saison, aber es wurde bisher von keinem der Abgang bestätigt. Der Finne Janne Pesonen wurde kurzfristig zu Saisonbeginn verpflichtet, als sich Adam Hall verletzte. Für mich war er der klar beste Ausländer in der vergangenen Saison. Seine grosse Erfahrung zeigte sich, sobald er in Scheibenbesitz war. Auch der Vertrag von Matt D`Agostini ist ausgelaufen. Der Kanadier wurde vor der Saison (zu Recht) als Königstransfer gefeiert. Diesen Erwartungen konnte er bei Weitem in keiner Phase gerecht werden. Aber er hatte diese Saison sehr viel mit körperlichen Problemen zu kämpfen und hatte eigentlich nie die Chance, einen Rhythmus zu finden. Deshalb wäre es sicherlich keine schlechte Entscheidung, ihm nochmals eine Chance zu geben.

Bei Adam Hall und Cory Emmerton bin ich geteilter Meinung. Sie sind zweifellos gute Spieler, aber Ambrì ist auf sehr gute Ausländer angewiesen und da bringen sie auf dem Resultatsblatt schlicht einen zu geringen Output. Mein ganz persönlicher Vorschlag an Duca: Halte, wenn möglich, Janne Pesonen, stelle ihm einen guten Center zur Seite (warum nicht Tommi Santala?), gib D`Agostini noch eine Chance und verpflichte einen mindestens ebenbürtigen Ersatz für Mäenpää. Letzteres ist für mich ein absolutes Muss.

Janne Pesonen: Bleibt er in Ambrì? Viele wünschen es sich. (Photo: PHOTOPRESS / Jean-Christophe Bott).

4) Junge erhalten neue Verträge in der Prima Squadra.
Ein junger Trainer und ein junger Sportchef ziehen fast gezwungenermassen einen jüngeren Kader nach sich. Dies ist die klare neue Strategie des Klubs. Die Spieler sollen sich mehr mit dem Klub identifizieren können und dies klappt vor allem, indem man auf den eigenen Nachwuchs setzt. Noele Trisconi hat einen neuen Vertrag bis 2019/20 erhalten. Bei Roman Hrabec wurde die Option gezogen und man hat ihn mit einer Lizenz für die erste Mannschaft ausgestattet. Kein ganz Junger mehr, aber auch einer, der sich mit dem Klub identifizieren kann, ist Christian Stucki. Sein Vertrag ist um zwei Jahre verlängert worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er immer mehr in die erste Mannschaft integriert werden wird. Sein Potenzial stellte er - vor allem letzte Saison - bei den Ticino Rockets mit 35 Punkten in 43 Spielen eindrücklich unter Beweis.

5) Die Goalie-Frage; Stand Mai 2017.
Der Abgang von Sandro Zurkirchen stand eigentlich schon lange fest. Im April wurde sein Wechsel zu Lausanne noch offiziell bestätigt. Reto Berra hat bei Fribourg-Gottéron, und nicht bei Lausanne, unterschrieben, was wiederum bedeutet, dass Zurkirchen sicher nicht von Lausanne nach Ambrì ausgeliehen wird. Kürzlich wurde der kanadisch-schweizerische Goalie Connor Hughes bis Ende Saison 18/19 (plus Option) verpflichtet. Allerdings wird er zumindest anfänglich an die Ticino Rockets ausgeliehen. Es ist wohl mehr als nur Spekulation, dass man ihn als zukünftige Kraft im Tor des HCAP aufbauen will.

Auch Gauthier Descloux wird Ambrì nächste Saison zur Verfügung stehen: sein Leihvertrag wurde verlängert. Genauso klar scheint, dass noch ein Torwart verpflichtet werden wird. Das Risiko, Gauthier Descloux zur neuen Stammkraft zu machen und ihn nach der kommenden Saison dann vielleicht wieder an Genf abgeben zu müssen, ist zu gross. Er ist zweifellos ein grosses Talent, aber ihn für einen anderen Klub aufzubauen, kann nicht die Ziel sein. Sein Vertrag mit Genf läuft 2019 aus, aber es ist sehr gut möglich, dass er dort früher oder später Torhüter Robert Mayer Konkurrenz machen wird.

Langer Rede kurzer Sinn: Momentan wäre es wohl die beste Lösung, Benjamin Conz aus Fribourg zu holen, der seine Nummer 1 faktisch bereits an Berra verloren hat. Gleichzeitig müsste man hoffen, dass er wieder auf sein altes Niveau kommt. Erste Gespräche zwischen Fribourg und Ambrì hat es, so La Regione, bereits gegeben. Descloux ist fünf Jahre jünger als Conz, deswegen wäre, längerfristig gesehen, Descloux sicher die perfekte Lösung. Daher: Conz einen Zweijahresvertrag geben und dann die Situation (um Descloux) neu und sauber beurteilen, wenn hoffentlich andere Themen, wie der Stadionbau, ad acta gelegt worden sind!

Wird er die neue Nummer 1 im Ambrì-Tor? – Benjamin Conz. (Photo: PHOTOPRESS / Peter Klaunzer )

6) Die Nuova Valascia* muss zwingend kommen….
…sonst wäre der grosse sportliche Kampf in den letzten Jahren umsonst gewesen. Zumindest ist das Fortbestehen in der NLA ohne eine neue, moderne Halle nicht mehr möglich. Ohne neues Stadion würde dem Club die NLA Lizenz nicht mehr erteilt werden, da die Valascia momentan in einem Gebiet mit Lawinengefahr steht. Falls dann aber eine Lizenz für die NLB erteilt werden würde, wäre dies eine ziemlich abstruse Sache. Also muss einfach eine neue Halle her. Viele gingen davon aus, dass nach dem geschafften Ligaerhalt alle Ampeln auf Grün gestellt werden würden. Dies war aber offensichtlich ein Trugschluss.

Nun scheint es drei Varianten zu geben. Variante 1 würde 50 Millionen Franken kosten und wie angedacht auf dem Flugplatz Quinto zu stehen kommen. Dabei soll keine Multifunktionshalle gebaut werden, sondern das Eishockey im Zentrum stehen mit dem HCAP als Besitzer. Problem: Nach Angaben der Klubführung fehlen dafür momentan 13 Millionen Franken. Diese Summe muss bis zur Deadline am 8. Juli aufgetrieben werden.

Variante 2 sieht ein Multifunktionsstadion in der Nähe von Bellinzona bei Castione vor. Sponsoren drücken auf diese Lösung mit der Begründung, dass ein Stadion dort sieben Tage die Woche genutzt werden könnte. Dass es für Sponsoren attraktiver ist, in eine Halle nahe der Grossstadt zu investieren, leuchtet ein, aber dies ist wohl das, was man eine Horrorvorstellung für HCAP-Fans nennen könnte. Bei dieser Variante wäre der HCAP nur Mieter. Nicht wenige würden dafür freiwillig absteigen wollen. Klappt weder Variante 1 noch Variante 2, muss eine Billighalle in Ambrì her, was aber auch den Abstieg bedeuten würde. Dieses Thema wird den Klub also mindestens durch den bevorstehenden Sommer begleiten. (Quelle: Gazzetta dell`Ambrì; *Stand 7. Mai)

7) Und jährlich grüsst das Murmeltier: Die Finanzen.
In den letzten Jahren gibt es zwei existenzielle Themen, die bei Ambrì immer wieder auftauchen: die Abstiegsangst und die Geldnot. Letzteres flammte neu auf, als bekannt wurde, dass das Lohnbudget für die erste Mannschaft um eine Million gesenkt werden soll. Momentan stellt man die neue Strategie mit jungen, hungrigen Spielern in den Vordergrund und lenkt so geschickt von diesem Thema ab. Die Geldnot ist ein immer wiederkehrendes Traktandum. 2013 fehlten dem Klub 1.3 Millionen Franken, um die Auflagen der Nationalliga zu erfüllen. Mit einer grossen Sammelaktion und der Ausgabe neuer Aktien wurde dieses Loch gestopft. In der Folge wurde die sportliche Führung umstrukturiert und Serge Pelletier war fortan sowohl als Sportchef als auch als Trainer tätig. Eine Struktur, die aber nicht lange tragbar war. In diesem Jahr blieb es bezüglich der Finanzen, abgesehen von der Ankündigung der Budgetreduktion, relativ ruhig. Es ist zu hoffen, dass dies auch wirklich so bleibt und der Fokus voll aufs Sportliche gelegt werden kann.

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