Das Ambrì-Fieber und seine Nebenwirkungen

Bis vor einem Jahr hat er nur für den einen Klub gespielt. Inti Pestoni hat beim HC Ambrì-Piotta alle Juniorenstufen durchlaufen und mit 18 Jahren in der NLA debütiert. Im Laufe der Zeit ist er zum Publikumsliebling, zur Identifikationsfigur und zum Stolz eines ganzen Klubs geworden. Dann kam letztes Jahr der grosse Wechsel. Weg von seinem Elternhaus gleich neben der Valascia zu den ZSC Lions. Wie ist es dem Dorfkönig im ersten Jahr in der Grossstadt ergangen?

Von Fabiano Wey (Photo: PHOTOPRESS / Marcel Bieri)

{sitelinkxoff}Es gab nur wenige Stimmen, die Pestoni im Verlaufe der letzten Saison die Entscheidung zum Wechsel übelnahmen. Zu klar war allen, dass dieser Moment früher oder später kommen wird. Klein-Inti wollte auch mal raus in die grosse weite Welt (bzw. Schweiz) und in einer Mannschaft spielen, die regelmässig um die Titel mitspielen kann. Als dann auskam, dass es der ZSC werden wird, atmete man im Fanlager auf. Es hätte aus Ambrì-Fansicht schlimmer kommen können. Pestoni wurde trotz seines grossen Talents nie gedraftet und wird auch wegen seinen nur 1.76m wohl nie in Nordamerika spielen. Daher steigt die Hoffnung, dass die Nummer 18 früher oder später, mit ein paar Meistertiteln in der Tasche, wieder nach Ambrì zurückkehren wird.

Pestoni hat ein harziges erstes Jahr bei den ZSC Lions hinter sich, wenn die Lions ausscheiden. Wegen einer Verletzung und Trainingsrückstand im Sommer, wurde er nach 11 Spielen aus dem Team genommen und zu einem spezifischen Aufbautraining verdonnert. Genau das gleiche galt übrigens auch für Teamkollege Mike Künzle. So kamen am Ende nur 39 Spiele in der Regular Season zusammen. Dabei resultierten 7 Tore und 12 Skorerpunkte. Dies sind 0.31 Punkte pro Spiel bei einer durchschnittlichen Eiszeit von 11:46 Minuten. In der letzten Saison bei Ambrì waren es 40 Skorerpunkte. Damit war er noch Topscorer des Teams in seiner an Punkten gemessen bisher erfolgreichsten Saison seiner Karriere. Bei den ZSC Lions resultierte in der Qualifikation lediglich der 16. Platz. In den Playoffs ist es bisher ein Tor (Stand: Sonntag, 12.3.).

Begonnen hatte die NLA-Saison für die ZSC Lions und Pestoni ausgerechnet gegen Ambrì-Piotta. Er begann in der dritten Linie als rechter Flügel von Center Sjögren. Zwei Tage später wechselte er auf den linken Flügel und im dritten Spiel ging es wieder zurück auf rechts, aber immer neben dem Schweden Mattias Sjögren. Unterdessen war es der zweite Sturmblock geworden. Aber auch dieser Status hielt nicht lange. In der 7. Runde ging es zurück in die dritte Linie und neu an die Seite von Reto Schäppi. Es war das Spiel gegen Lugano in dem Pestoni das ersehnte erste Tor im ZSC-Dress erzielen konnte. Wenig später kam aber ein herber Rückschlag. Im zweiten Spiel gegen seinen Ex-Klub wurde er in den vierten Block versetzt. Es war das zweitletzte Spiel vor seiner vorübergehenden Verbannung aus dem NLA-Team. Deswegen verpasste er auch die erste Möglichkeit zur Rückkehr aufs Eis der Valascia.

Das Comeback gab Pestoni dann am 12. November gegen Biel. Erneut fand er sich in einer noch nie gesehenen Linienzusammensetzung. Auf der linken Seite stürmte er neben Center Luca Cunti und dem rechten Flügel Chris Baltisberger. In den folgenden Spielen waren Schäppi (4x) und wieder Cunti seine Center. Aber den Durchbruch schaffte Pestoni noch immer nicht. Gegen Genf musste er mit der Position des 13. Stürmers vorliebnehmen. Langsam aber sicher hat er wohl gedacht, dass er alles gesehen hat in Sachen Aufstellung. Aber dann wurde er gegen Kloten als Verteidiger aufgestellt. Ich habe keine näheren Infos, aber oft hat er in seiner Karriere mit Bestimmtheit noch nicht Verteidiger gespielt. Dies tat er sogar auch im folgenden Spiel gegen Biel, bevor er dann im vierten Sturmblock mit Morris Trachsler wieder auf Torejagd gehen konnte. Zu dieser Zeit war Mike Künzle der rechte Flügel der «Pestoni-Linie». Lange war auch das nicht so. Zusammen mit Trachsler rückte er von der vierten in die dritte Linie auf, wo er dann erstmals für ein Spiel mit dem damaligen Topskorer Robert Nilsson zusammenspielen konnte. Weiter ging es; nun mit Trachsler im zweiten Block. Trachsler war zu dieser Zeit relativ lange sein angestammter Center, bevor er dann aber wieder Reto Schäppi zur Seite gestellt wurde.

Am 21. Januar kam es dann zur emotionalen Rückkehr nach Ambrì. Dabei gab es die Premiere. Zum ersten Mal figurierte Inti Pestoni in der ersten Linie der ZSC Lions. Für den letzten Teil der Qualifikation war Ryan Shannon sein Center. Mit ihm und dem linken Flügel Roman Wick beendete er die Regular Season. Die drei blieben auch in den ersten drei Spielen der Playoffs zusammen. Am Samstag spielte Pestoni wieder einmal mit Morris Trachsler zusammen. Trotzdem scheint Trainer Hans Wallson langsam aber sicher den Platz für Inti Pestoni gefunden zu haben – es dauerte über 40 Spiele.

Hat ein kompliziertes erstes Jahr bei den ZSC Lions bald hinter sich – Inti Pestoni. (Photo: PHOTOPRESS / Walter Bieri)

Blick hat nach der Qualifikation Inti Pestoni unter die «Flops der Qualifikation» eingereiht, mit u.a. Peter Guggisberg. Gemessen an den mageren 13 Punkten in der bisherigen Saison ist das bestimmt so. Aber die Bewertung nur daran aufzuhängen, wäre etwas sehr dünn. Zuerst die Umstellung vom HC Ambrì-Piotta zu den ZSC Lions – ein grösserer Kulturschock gibt’s im Schweizer Eishockey gar nicht. Dann kamen die körperlichen Probleme dazu, die ihm die volle Entfaltung verunmöglichten, wie auch die Umstellung vom kanadischen System von Kevin Constantine, Serge Pelletier und zuletzt Hans Kossmann zum schwedischen von Hans Wallson. Auch das ist ein radikaler Umstieg. Fairerweise muss gesagt werden, dass Wallson erst auf diese Saison den Kanadier Mark Crawford in Zürich beerbte und das ganze Team den neuen Trainer zuerst verstehen musste. Wallson musste zuerst das Team kennenlernen und wirbelte dementsprechend die Linien vor allem in den ersten 30 Runden tüchtig durcheinander. Für Pestoni kam erschwerend hinzu, dass er nicht nur den Trainer, sondern das ganze Team und seine Automatismen nicht kannte und von Grund auf kennenlernen musste.

Man kann die eher dürftige Leistung also durchaus erklären. Trotz allem hat sich der ZSC von ihm mit Bestimmtheit mehr erwartet. Will er sich für einen neuen Vertrag empfehlen, muss er nächstes Jahr Punkte liefern. Was, wenn nicht? Führt sein Weg nach Ambrì zurück? Oder unterschreibt er sonst wo einen Einjahresvertrag und zieht dann mit den Biancoblù 2019 ins neue Stadion? Seine Zukunft ist momentan relativ unsicher – eine Parallele zum HCAP.

Das Ambrì-Fieber und seine Nebenwirkungen

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