Bull-etin Zug

Noch bevor der EV Zug mit dem offiziellen Eistraining in die nächste Saison startet, hat er die übernächste bereits nach Mass begonnen. Die Zuger konnten das Tauziehen um Leonardo Genoni, den momentan besten Schweizer Torhüter, gegen den SC Bern für sich entscheiden und ein kräftiges Ausrufezeichen an die Konkurrenz senden.

Von Yannick Ringger | Bild: PHOTOPRESS/Anthony Anex

{sitelinkxoff}Über die sportliche Bedeutung der Verpflichtung Leonardo Genonis für fünf Jahre ab Sommer 2019 besteht kein Zweifel. Wenn ein Team einen viermaligen Schweizermeister, der die Schweizer Nati in einen WM Final gehext hat – mit anderen Worten: Den Besten seines Fachs – für die wichtigste Position verpflichten kann, hat es sich verstärkt und die Chancen, einen Titel zu gewinnen, erhöht. Ohne Wenn und Aber.

Kurz- und langfristige Erfolgsstrategie bedingen sich

Dennoch – das Zeichen, welches der EV Zug bereits ein Jahr, bevor Genoni erstmals das blauweisse Trikot überstreifen und seine neue Equipe verstärken wird, aussendet, ist in seiner Unmissverständlichkeit an die eigenen Fans und Mannschaft, die Konkurrenz und hiesige Hockey-Öffentlichkeit wohl noch bedeutungsvoller. Nachdem in den letzten Monaten viel über die Nachwuchsstrategie gesprochen wurde und man – auch anlässlich der Vorstellung des neuen Cheftrainers Dan Tangnes – den Eindruck gewinnen konnte, dass der begründeten, sinnvollen und notwendigen langfristigen Erfolgsstrategie alles untergeordnet werde, zeigt die Verpflichtung Genonis eindrücklich, dass die Verantwortlichen versuchen, die Nachwuchsstrategie mit möglichst baldigem sportlichem Erfolg zu verknüpfen – was letztlich für den EVZ in der aktuellen Situation der einzige Weg ist, um beides erfolgreich auszugestalten.

Die Ansprüche seitens des Zuger Publikums sind spätestens seit dem Einzug in die Bossard Arena vor acht Jahren gestiegen – die regelmässigen Playoff-Halbfinal-Teilnahmen unter Doug Shedden konnten diesen zuweilen kaum mehr gerecht werden. Freilich kann der EVZ die Chancen auf regelmässige Vorstösse an die absolute Spitze – Final-Teilnahmen – nur dann nachhaltig erhöhen, wenn er zunehmend eigene talentierte Junioren in die erste Mannschaft einbaut. Nur so kann den Kolinstädtern gelingen, was in den letzten Jahren Genève-Servette, Gottéron und dem EHC Kloten verwehrt geblieben ist: regelmässige Finalteilnahmen, ohne die eigene finanzielle Existenz zu untergraben. Gleichwohl profitieren die Jungen nicht nur, wenn sie möglichst viel Eiszeit und Verantwortung erhalten, sondern wenn sie dies in einem kompetitiven, starken Umfeld tun und sich dabei an Ausnahmeathleten orientieren können.

Meisterfeier zum zehnjährigen Stadionjubiläum?

In diesem Sinne zeigt die Verpflichtung Genonis exemplarisch auf, dass den Zuger Verantwortlichen nicht nur an einer nachhaltigen Strategie gelegen ist, sondern dass sie von dieser Saat lieber früher als später auf dem Eis ernten wollen. Deshalb kann man bei der Unterschrift Genonis, wie es die Nordamerikaner gerne formulieren, von einem „franchise-altering move“ sprechen. Nicht weil die Klubstrategie auf den Kopf gestellt, sondern deren Botschaft mit einem kräftigen Ausrufezeichen im Sinne einer möglichst prompten erfolgreichen – sprich: Titel abwerfenden – Umsetzung versehen wird. Dieses Signal wirkt gerade auf die jetzige Mannschaft als Demonstration, dass die sportliche Führung alles unternimmt, um dem Team die optimalen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen und die Finalteilnahme 2017 der Massstab für künftige Saisons darstellen wird. Rechtzeitig für das zehnjährige Jubiläum in der Bossard Arena, deren Bau den Aufbau einer Spitzenmannschaft mit berechtigten und alljährlichen Titelambitionen ermöglichen sollte, soll 2020 der Titel her.

Der Zuger Standortvorteil

Genau dasselbe Zeichen senden die Kolinstädter an die Konkurrenz und die Hockey-Öffentlichkeit. Dabei konnten die Verantwortlichen von der glücklichen Fügung profitieren, dass im Poker um Genoni Geld, sprich Lohn und Steuern, nicht der alleinige Faktor darstellte, um einen – um das zauggsche Vokabular zu bemühen – „Titanen“ wie den SC Bern ausstechen zu können, sondern dass Zug mit seiner Zugehörigkeit zum Metropolitanraum Zürich – Genoni stammt aus dem zürcherischen Kilchberg und wollte nach zwölf Jahren wieder näher bei seiner Heimat wohnen – über den wohl entscheidenden Standortattraktivität verfügte. In eine ähnliche Richtung zielt EVZ-Sportchef Reto Kläy mit seiner Aussage, wonach er „zu behaupten [wage, Anm. d. Autors], dass wir nicht die höchste Offerte unterbreitet haben“. Entsprechend ist der Ärger von SCB-CEO Marc Lüthi, der auf Anfrage des Autors keine direkte Stellung zum Abgang Genonis beziehen wollte, zu verstehen.

Die Lehren aus der Zuger Goalie-Dynastie

Dennoch darf nicht nur von Glück gesprochen werden. Vielmehr konnte der EVZ von seiner langjährigen, soliden (Aufbau-)Arbeit auf und vor allem neben dem Eis profitieren, was einem Top-Shot wie Leonardo Genoni nicht entgangen ist. Ein besonderes Kränzchen ist dabei Kläy zu winden, der in den vergangenen Jahren überwiegend gute bis sehr gute Entscheidungen getroffen hat, wobei sein Erbe hauptsächlich vom Erfolg seines Coaches Dan Tangnes abhängen wird. Die Verpflichtung eines hervorragenden Torhüters hilft diesbezüglich. Die reiche Zuger Geschichte an ausserordentlichen Schweizer Torhütern, die in den 1970er Jahren noch in der ersten Liga mit Gérald Rigolet begann, sich nach dem ersten Aufstieg in die oberste Spielklasse mit Andy Jorns und in diesem Jahrhundert mit Lars Weibel und Tobias Stephan fortsetzte, lehrt, dass ein solcher seine Farben sofort besser machen kann, aber auch auf eine starke Mannschaft angewiesen ist, um zu Meisterehren zu gelangen – Genoni könnte nun der Erste in dieser Reihe sein, der über diese Voraussetzungen verfügen wird.

Zwei Gedanken aus dem Reich der Ironie

Abschliessend noch je ein Gedanke an Tobias Stephan und einer an die bevorstehende Saison – die letzte vor der Ära Genoni. Stephan wird auch als dann 35-Jähriger keine Mühe haben, nach seiner fünften Spielzeit beim EVZ einen neuen Arbeitgeber zu lukrativen Konditionen zu finden. Allerdings muss er – Ironie der Geschichte – dafür seine Zelte wohl wieder etwas weiter entfernt von seiner Zürcher Heimat aufschlagen und auf den Zuger Standortvorteil verzichten.

Die Verpflichtung Genonis könnte bei Stephan Trotz und eine zusätzliche Portion Motivation auslösen, um den Zugern zu beweisen, dass er sehr wohl ein Team zum Titel hexen kann. Die Geschichte von Genonis Karriere zeigt, dass diese These auf fruchtbaren Boden fallen könnte. Bei seinen beiden bisherigen Wechsel stand dieser ebenfalls frühzeitig vor dem Ende der laufenden Saison fest und beide Male – 2007 Davos und 2016 Bern – holte sein künftiger Arbeitgeber den Meistertitel …

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