Bull-etin Zug

Der Gewinn des Cups und die Beendigung einer beinahe 21 Jahre währenden Durststrecke hat für den EV Zug mehr als nur symbolische Bedeutung. Die Art und Weise des Sieges im Final steht dabei exemplarisch für die Auftritte der Mannschaft in der laufenden Spielzeit.{sitelinkxoff}

Der EVZ ist Cupsieger 2019
athleticpictures.ch / Andreas Haas

{sitelinkxoff}Es war an einem heissen Nachmittag vor knapp eineinhalb Jahren. An der Medienkonferenz zur Saisoneröffnung im August 2017 stellte Sportchef Reto Kläy klar, dass die vorherige Spielzeit mit dem nach 19 Jahren erstmaligen Erreichen des Playoff-Finals und der in der Region entfachten Euphorie zwar erfreulich gewesen sei, doch die eigenen Ansprüche mittelfristig nicht befriedigen könne. Das Ziel bestünde nämlich darin, «etwas zu gewinnen» - konkreter: in einem der Wettbewerbe Meisterschaft, Cup und Champions Hockey League einen Pokal in die Höhe stemmen zu können. Nun ist es so, dass der Fokus der Organisation und Spieler auf der Meisterschaft liegt und das Abschneiden in den Playoffs über die abschliessende Beurteilung der laufenden Spielzeit entscheiden wird. Dennoch hat der Gewinn des Cups gegen die SC Rapperswil-Jona Lakers eine enorme Bedeutung für die Organisation, Mannschaft, Fans – im Moment ebenso wie für die mittelfristige Entwicklung.

Die Erfahrung des ersten gemeinsamen Titels

Goalie Sandro Aeschlimann hat wohl die passende Formulierung gewählt, als er die Bedeutung des Cupsieges als «Erlösung» eingeordnet hat. Der Gewinn des ersten Pokals nach 21 Jahren und des erst zweiten in der Klubhistorie hat gerade deshalb eine überragende Bedeutung, weil die Organisation gemessen an ihren eigenen Ansprüchen eine allzu spärlich bestückte Pokalsammlung vorweisen kann. Pokalübergaben erfreuen die Fans und lassen sich ausgezeichnet vermarkten. Aus sportlicher Sicht entscheidend ist in diesem Fall, dass es sich um ein Team handelt, das in den kommenden Jahren nicht mehr nur um Titel mitspielen möchte, sondern diese gewinnen will und an ihrer Trophäensammlung gemessen werden soll.

Die Historie – nicht nur – dieses Sports zeigt, dass in den entscheidenden Phasen, wenn es um alles oder nichts geht, jene Mannschaften über einen Vorteil verfügen, die wissen, wie man gewinnt. Just dieses Sieger-Gen basiert auf der Erfahrung des gemeinsamen Gewinnens. Für die weitere Entwicklung einer Mannschaft, welche in den entscheidenden Momenten früher oder später immer an einem stärkeren, mehr siegeserprobten Gegner gescheitert ist und zu einem Grossteil aus Spielern besteht, die noch wenige Titel errungen haben, kann der erstmalige gemeinsame Gewinn eines Titels nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies trifft ebenso auf den Coach zu, dessen Ernennung von einem Grossteil der hiesigen Journaille mit Skepsis kommentiert wurde, weil er auf höchster Profistufe noch nie eine Playoff-Serie gewonnen hat.

Torschützen sinnbildlich für die Entwicklung des Teams

Die Art und Weise, wie der EVZ den Cup gewonnen hat, entspricht der Entwicklung, welche seit Beginn dieser Saison zu beobachten ist. Die Equipe tritt defensiv wie offensiv stilsicher auf, überzeugt dank einer geschlossenen Teamleistung, Speed, Abgeklärtheit und Effizienz. Weil die Zuger am Sonntag zudem mit einer gnadenlosen Entschlossenheit in die Partie gestartet sind, war diese bereits entschieden, bevor die Lakers überhaupt in das Spiel finden konnten. Stellvertretend für einige der Faktoren, welche den EVZ momentan so stark machen, genügt ein Blick auf die fünf Torschützen. Dass es fünf verschiedene Torschützen waren, mag ein Zufall sein, doch illustriert diese Tatsache passend, dass die Kolinstädter in der laufenden Spielzeit so wenig wie noch selten von bestimmten Einzelspielern abhängig sind, sondern ihre Gegner nun durch eine überdurchschnittliche Breite und Ausgeglichenheit vor grosse Probleme stellen können.

Das Tor Lino Martschinis steht nicht nur für die Stärke des Powerplays, das seit Mitte November zu den gefährlichsten und unberechenbarsten der Liga gehört (die beiden Formationen spielen mit einer unterschiedlichen taktischen Ausrichtung; ebenso werden die vermeintlichen Spezialisten auf beide Formationen aufgeteilt – beispielsweise agieren Diaz und Martschini momentan nicht zusammen), sondern auch für die offensiven Freiheiten, welche der Topscorer unter Tangnes geniessen und zugunsten der Zuger ausnutzen darf.

Lino Martschini, Topscorer und Schütze des ersten EVZ-Tores im Cupfinal
PHOTOPRESS / Patrick B. Kraemer

Dennis Everberg hat nicht nur wesentlich zum Höhenflug im Powerplay beigetragen, mit seiner Präsenz und langen Stockreichweite stellt er einen Albtraum für die gegnerischen Verteidiger und Torhüter vor dem und um das gegnerische Tor herum dar. Ebenso unterstreicht er Sportchef Kläys sehr gute Arbeit auf dem Transfermarkt, der sich in den letzten Jahren nur wenige Fehlgriffe geleistet hat. Die Coproduktion von Pontus Widerström und Dominic Lammer beim vorentscheidenden dritten Treffer versinnbildlicht die offensive Breite der Mannschaft – Widerström ist der unverwüstliche, dankbare Ausländer-Notnagel, der seinen Job ebenso glanzlos wie solid verrichtet; Lammer hat bisher eine enttäuschende Saison bestritten, aber in den letzten Partien zunehmend in die Gänge gefunden.

Weiterhin schlummerndes Potential

Seit seiner Vorstellung betont Dan Tangnes, dass er das Team nicht nur als Kollektiv weiterbringen möchte, sondern auch dessen einzelne Bestandteile – was letztlich zur Stärkung des Kollektivs führen soll. Auf beiden Ebenen kann der Headcoach bereits beachtliche Fortschritte vorweisen, weil er ein System spielen lässt, welches besser auf die Fähigkeiten der Truppe zugeschnitten ist, wobei Tangnes vom soliden defensiven Fundament seines Vorgängers profitieren kann. Folglich überrascht es nicht, dass verschiedene Akteure ein neues Leistungsniveau erreichen – wie Sven Senteler oder Santeri Alatalo, die das beste Hockey ihrer Karriere zeigen. Auch designierte Leader wie Reto Suri, die zuletzt stagniert haben, treten beflügelt auf und knüpfen an die Form ihrer besten Tage an. Dass mit Suri der ultimative Teamplayer und einer der absoluten Publikumslieblinge in seiner Abschiedssaison den Cup-Sieg mit dem vierten Treffer besiegelt hat, ist eine besonders schöne Geschichte. Der letzte Treffer von Yannick-Lennart Albrecht, der zwar die defensiven Aufgaben mit viel Einsatzzeit im Boxplay überzeugend ausführt, doch die offensiven Erwartungen noch nicht erfüllt hat, mag andeuten, dass er sich im neuen Team und System stetig besser zurecht findet, und als Vorbote dafür dienen, dass in diesem Team noch mehr Potential schlummert.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum ultimativen Ziel?

Klar ist, dass sich diese Mannschaft erst am Anfang ihres Weges sieht und sich weiter steigern muss, wenn sie ihre hochgesteckten Ziele erreichen will. Das erstmalige Kosten eines (gemeinsamen) Triumphes dient dabei nicht nur als Motivation für künftige Aufgaben, sondern ebenso als unerlässliches Fundament im Hinblick auf das ultimative Ziel dieser und künftiger Saisons – die Dominanz der sogenannten Titanen in den Playoffs zu durchbrechen und somit nicht nur «etwas», sondern den ultimativen Preis zu gewinnen.

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