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Wenn NHL Millionäre auf einmal Insolvenz anmelden müssen, fragt man sich: Was ist da schief gelaufen?

Evander Kane – einer der Topverdiener der San Jose Sharks – musste Insolvenz beantragen. Nicht wenige gönnen ihm sogar, dass er auf diese Weise vielleicht wieder lernt, angemessen mit Geld umzugehen. Zu frisch sind noch die Bilder, wie er vor Jahren mit einem dicken Bündel Dollars (ans Ohr haltend wie ein Handy) vor einem Casino in Las Vegas posierte oder mit mehreren Bündel Geld auf dem Körper ein Workout-Video ins Netz stellte. Bei Evander Kane (verdiente in seiner bisherigen Karriere über 52 Millionen Dollar minus Steuern) möge die Sachlage zwar eindeutig erscheinen (Spielschulden, kein angemessener Umgang mit dem Reichtum), aber auch er hat wohl strategisch falsche Investitions-Entscheidungen getroffen, die seine Schulden auf über 28,6 Millionen Dollar haben anwachsen lassen (inkl. drei Häuser im Wert von 10,2 Millionen Dollar als Vermögenswerte). Seine Spielsucht machte Schlagzeilen: 2020 hat er 1,5 Millionen Dollar verspielt. 2019 wurde Kane in Las Vegas vom Hotel «Cosmopolitan» auf in einer Nacht verzockte 500'000 Dollar verklagt. Auch Banken und seine ehemalige Agentur Newport gehören zu den insgesamt 47 Gläubigern.

Von der (Mit-)Verantwortung des direkten Umfelds

Bei alledem stellt sich die Frage: Warum greift niemand aus dem unmittelbaren Umfeld ein, wenn Tendenzen auftreten, die auf unangemessenen Umgang mit Geld deuten? Was machen die Partnerinnen? Wo nehmen die Agenturen ihre Pflicht ernst und beraten die Klienten auch im Bereich der Finanzen und der „Karriere danach“? Was kann man tun, wenn ein Spieler beratungsresistent ist? „Es gibt Agenturen und Agenten, die sich nur auf das Vermitteln und Verhandeln von lukrativen Verträgen konzentrieren. Aber die Aufgabe einer guten Agentur umfasst eben auch flankierende Dienstleistungen und Betreuung in den Bereichen Finanzberatung, Planung einer zweiten Karriere, Weiterbildungsberatung, Mentoring und so weiter“, heisst es beispielsweise von der international tätigen Agentur Sportagon.

Fatale Investitionsentscheide - Im Sog einer gewissen Dynamik

Denn viele NHL-Stars lassen sich auch – oft auch entgegen der Empfehlung der Agentur – mit scheinbar lukrativen Investitionsmodellen locken und folgen einer Dynamik. Ein Beispiel: Der ehemalige NHL-Profi Len Barrie, der 18 NFL- und ein halbes Dutzend NHL-Stars (Ray Whitney, Mike Vernon) in arge finanzielle Probleme brachte. Sie investierten in einen Golf-Resort. Barrie sicherte sich 2008 Anteile am Team der Tampa Bay Lightning und wurde steinreich. Doch dann hatte er die folgenschwere Idee, in das Bear Mountain Resort in British Columbia samt Westin Hotel und Golfplatz zu investieren. Das Projekt stand von Beginn an unter keinem guten Stern, da es zahlreiche Beschwerden wegen Umweltverstössen gab. 2012 gab Barrie seine Anteile am Resort ab und musste Insolvenz anmelden. Die beteiligten Sportmillionäre verloren viel Geld (Vernon allein 9,6 Millionen). Auch Mike Modano verlor viel Geld und geriet in Probleme durch ein Investment in einen (anderen) Golf-Resort.

Noch gut in Erinnerung ist der „Fall Jack Johnson“. Dieser musste 2018 Privatkonkurs (10 Millionen Schulden) anmelden, obwohl er damals bei den Columbus Blue Jackets mitten in einem Siebenjahres-Vertrag stand, der ihm insgesamt 30 Millionen einbrachte. Aber: Seine Eltern haben 15 Millionen Dollar seines Vermögens für Häuser und einen ausschweifenden Lebensstil ausgegeben. Jack Johnson Senior, in der Branche als übermotivierter Vater bekannt, ist auch sein Agent. Dieser hatte – so wird berichtet - die Finanzlage nie im Griff. Der Tilgungsplan sah vor, dass Jack Johnson so lange mit einem Minimalauskommen von 50'000 Dollar im Jahr spielen sollte, bis die Schulden beglichen sind. Das ist jetzt der Fall und schon in Pittsburgh (Jahressalär 3,25 Mio.) und nun bei den New York Rangers (verdient nach einem Buyout nun 1,15 Mio) kann er wieder sein normales Salär beziehen.

Viele weitere solcher Beispiele sorgten für Schlagzeilen. Hier eine kurze Auswahl: Die ehemaligen NHL-Legenden Bobby Orr (Agent Alan Eagleson kontrollierte seine Finanzen und zahlte keine Steuern für seinen Klienten), Sergei Fedorov (schlechtes Investment), Theo Fleury und Darren McCarty (beide durch Alkohol, Drogen, schlechte Deals, Fleury versuchte sogar, sich das Leben zu nehmen), Kevin Stevens (unerlaubter Medikamentenhandel und anderes...) oder Dany Heatley (Betrug durch seinen Finanzberater) mussten alle untendurch. Auch eine andere NHL-Legende, Derek Sanderson, sorgte für derlei negative Schlagzeilen. Nun ist er ein „mahnender Berater“ für NHL-Spieler und versucht jenen zu helfen, die möglicherweise einen schlechten Weg einschlagen könnten.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch beim Slapshot sowie beim Top Hockey und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.