Die Ottawa Senators starteten mit einigen Vorschusslorbeeren in die aktuelle Saison. Manche Fachleute stuften die „Sens“ als mögliches Überraschungsteam der Saison ein und sogar als Playoff-Teilnehmer. Der unregelmässige Spielplan mit der zusätzlichen Global Series in Europa sowie die etwas enttäuschenden Resultate sorgten nach fast der Hälfte der Qualifikationsrunde erstmal für Ernüchterung und Verunsicherung und kosteten schliesslich Chefcoach D.J. Smith den Job. Als Sofortlösung wurden einige prominente Namen kolportiert, aber man entschied sich bei den „Sens“ schliesslich für Jacques Martin. Es ist ein Revival für beide Seiten: Vor fast 20 Jahren coachte Jacques Martin das letzte Mal die „Sens“.
Er hat die Sens-DNA
Die Wahl mochte viele überraschen, weil der 71-jährige NHL-Coaching-Veteran Jacques Martin – er begann seine Cheftrainer-Karriere in der NHL 1987 bei den St. Louis Blues - nunmehr seit über zehn Jahren keinen Chefcoach-Posten in der NHL besetzte. Der Trend geht ja zudem eher zu jüngeren Coaches – auch zu sogenannten Konzepttrainern mit neueren Methoden und Herangehensweisen.
Martin ist also kein Trendsetter, aber er besitzt gewissermassen die Sens-DNA, ist einer aus der unmittelbaren Region (Saint Pascal/Ontario) im französisch sprechenden Teil von Ontario und war von 1996 bis 2005 fast zehn Jahre der Coach in den sportlich erfolgreichen Jahren des ehemaligen Expansionsteams. Ausserdem hat er einschlägige Erfahrung als Feuerwehrmann: 1996 ersetzte er in Ottawa den erfolglosen Dave Allison. Dieser hatte in 27 Partien nur gerade deren sieben Punkte gesammelt. Das war einer der schlechtesten Saisonstarts eines Teams in der NHL-Historie. Martin brachte das Team in den Folgejahren sportlich auf Kurs und in den Saisons 1998, 2002 und 2003 wurden auch die Playoffs erfolgreich gestaltet mit der Teilnahme an den Conference Semi-Finals beziehungsweise Finals. 2002 überliess er zudem dem sehr beliebten Roger Neilson das Zepter als Headcoach für zwei Partien, bevor dieser verstarb. Das waren bewegende Momente und zeigen auch, wie Jacques Martin als Mensch tickt. Auch danach bei den Florida Panthers und Montréal Canadiens sprang er jeweils als Cheftrainer ein.
Ein Hockey-Interims-Manager
Der Franco-Ontarier ist zwar ein Coach der alten Schule und gehört zu jenen, die man zum „Old Boys Network“ zählen kann. Aber: Er war dennoch trotz seiner traditionellen Arbeitsweise immer offen für neue Wege und hat als Assistenzcoach und Senior Adviser in den letzten Jahren bei den Pittsburgh Penguins und New York Rangers miterlebt, wie das Coaching heute funktioniert. In seinem ersten Media Scrum in Ottawa liess er sofort verlauten, dass er zunächst das Selbstvertrauen des Teams und die Basics etablieren möchte. Er ist demnach auch nicht einfach nur ein Interimscoach, sondern auch ein klassischer Interims-Manager, wie man es vom Business-Alltag her kennt. Und so geht er auch die Aufgaben an – analytisch und dennoch dynamisch wie ein Manager. Die Coaching-Skills sind hierbei erstmal Routine, obwohl einige kleine Stellschrauben im Lineup und im Coaching angebracht wurden.
Erfolgreiche Coaching-Comebacks gab es auch hin und wieder in der jüngeren Vergangenheit: Rick Bowness (68, übrigens einer der Vorgänger von Jacques Martin in den ersten Expansionsjahren in Ottawa) war von der Saison 2000 bis 2020 nur Assistenzcoach und hatte sein Cheftrainer-Comeback in der NHL zwanzig Jahre später bei den Dallas Stars im zarten Alter von 65 Jahren. Legendär war das Comeback von Trainerlegende Scotty Bowman: Nach seinen fünf Stanley-Cup-Siegen (!) in Montreal in den 70er-Jahren folgten sportlich etwas durchwachsene Jahre in Buffalo und dann ein Posten als Director of Player Developement in Pittsburgh, wo er 1992 schliesslich den Posten als Chefcoach übernahm und sogleich seinen sechsten Titel holte. Danach folgten zwischen 1997 und 2002 drei weitere Titel in Detroit. Da war er auch schon 70 Jahre alt.